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EXKURS 4.2. Renten und Altersversorgung Deutschland (NoteEx4.2.1)


Seit 1881 gibt es in Deutschland eine gesetzliche Rentenversicherung für Arbeitnehmer/Innen. Heute sind abhängig Beschäftigte (bis zu einer Einkommensgrenze) pflichtversichert bezüglich Altersversorgung, Krankheit, Pflege und Arbeitslosigkeit (Sozialversicherung). Mit 65 bzw. 67 Jahren haben sie Anspruch auf die gesetzliche Rente. Ausgenommen von der Rentenpflicht sind Beamte: Sie beziehen im Ruhestand Pensionen. Selbständige versichern sich privat.


2015 waren von den 60-bis-65-jährigen Erwerbspersonen 81,9% erwerbstätig, und nur 6,4% bezogen Renten oder Pensionen. Von der Gesamtbevölkerung im Alter von 65 und mehr Jahren waren dagegen nur noch 2,0% erwerbstätig, und 1,3% bezogen Sozialleistungen. 88,3% bezogen Renten und Pensionen.


Die Beiträge zur Sozialversicherung werden grundsätzlich je zur Hälfte von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern bezahlt, 2015 je 9,35%, insgesamt 18,7% des Bruttoarbeitslohnes. Die individuelle Rentenhöhe richtet sich nach der Zahl und der Höhe der gezahlten Beiträge. Die Standardrente – 45 Beitragsjahre mit einem durchschnittlichen Lohn – betrug 2015 47,7% des Bruttolohnes. Da die Masse der Sozialrentner keine Steuern bezahlt, kann man die Rente auch mit dem Nettolohn vergleichen. Die Standardrente betrug 71,8% des durchschnittlichen Nettolohnes.


Die Rentenhöhe bestimmt sich durch die Beiträge der Zahler, also der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Global gerechnet ist sie der Quotient aus Beitragseinnahmen durch Zahl der Rentner. Die Logik des Rentensystems beruht auf folgender Formel, bei der Rentenbeiträge und Rentenzahlungen grundsätzlich gleich groß sind:

     Rentenberechtigte * Standardrente = Beitragspflichtige * Beitragssatz

oder

     Rentenberechtigte  =  Beitragssatz   

     Beitragspflichtige       Standardrente


2015 betrug der Quotient aus Beitragssatz (18,7%) und Standardrente (47,7) 0,392. Demnach hätten die Beitragseinnahmen von 100 Beitragspflichtigen für die Renten von 39,2 Rentenberechtigten ausgereicht.


Nimmt die Zahl der Rentenberechtigten stärker zu als die Zahl der Beitragspflichtigen, dann muss entweder der Beitragssatz erhöht werden, oder die Standardrente sinkt, oder das Renteneintrittsalter wird zu Lasten der Zahl der Rentenberechtigten angehoben. Oder die Beitragseinnahmen werden durch staatlich Zuschüsse erhöht.


Mit wachsender Lebenserwartung wächst die Zahl der Rentenberechtigten. Die Lebenserwartung der Über-65-Jährigen hat sich wie folgt entwickelt (Jahre):

                                Männer        Frauen

    1871/83               9,6                10,0

    1924/26              11,5                12,2

    1949/51              12,8                13,7

    2000/02              15,9                19,6

    2010/12              17,2                20,7.

Für 2060 schätzt das Statistische Bundesamt (Basisannahme):

                                 22,0                25,0.


Zwischen der Gründungszeit der Rentenversicherung und heute hat sich so die Bezugsdauer einer Rente verdoppelt. Wenn sich nichts an den gesetzlichen Regeln ändert, schlägt sich diese Verlängerung des Rentenbezugs in einer stetigen Verringerung der Standardrente nieder. Die Folge dieser demographischen Entwicklung in Deutschland ist eine dauernde Rentendebatte, die bemerkenswerterweise nicht über die Höhe der künftige Renten geführt wird, sondern über die verängstigende Frage: Wie sicher sind unsere Renten?


Zwischen 1950 und 1980 wurden die gesetzlichen Beitragssätze von 10% auf 18% angehoben. 1998 wurde ein Bundeszuschuss zur Rentenversicherung eingeführt, der inzwischen 25% der Rentenzahlungen deckt. Zum größten Teil handelt es sich dabei um globale Erhöhungen der Einnahmen der Rentenversicherung, die dazu dienen, das allgemeine Absinken des Rentenniveaus zu bremsen.


Gleichwohl sank die Standardrente in % der Bruttolöhne ständig:

    1985            57,4%

    1990            55,0%

    1995            53,9%

    2000            52,9%

    2005            52,6%

    2010            51,6%

    2015            47,7%.


Deshalb wurde über eine Kompensation der verlängerten Lebenszeit durch eine Anhebung der Renteneintrittsalters nachgedacht. 2006 beschloss die Bundesregierung die Anhebung des Renteneintrittsalters ab 2012 von 65 Jahren in Monatsschritten auf 67 im Jahre 2014. Allerdings können Arbeitnehmer ab 65 Jahren jederzeit in Rente gehen, unter Abzug eines 0,3%-igen Abschlags pro vorgezogenem Monat. Wer mit 65 in Rente geht, nimmt also eine Rentenkürzung von 7,2% in Kauf. Für noch früheren Rentenbeginn gibt es inzwischen zahlreiche Angebote mit unterschiedlichen Abschlägen.


Insgesamt bevorzugen die Deutschen einen möglichst frühzeitigen Rentenbeginn. Das tatsächliche Renteneintrittsalter aller Altersrenten zeigt einen Trend zum früheren Renteneintritt (einschließlich diversen Frühverrentungen): Betrug das durchschnittliche Renteneintrittsalter von Männern und Frauen 2006 noch 63,2 Jahre, so war es 2016 bei Männern 61,7 und bei Frauen 61,9. Diese Entwicklung zeigt, dass Anpassungen des Renteneintrittsalters verbunden mit Abschlägen bei freiwilliger Früherverrentung ein gangbarer Weg sind, um das gesetzliche Rentenniveau stabil zu halten.


Tatsächlich leben die Älteren in Deutschland neben der Rente zunehmend von anderen Einkommen. Eine besondere Rolle spielen dabei private, vom Staat regulierte Betriebsrenten. Ein auf Befragungen beruhender Forschungsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (NoteEx4.2.2) hat die Alterssicherung der erwerbstätigen Bevölkerung untersucht. Danach hatten 2015 sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer im Alter von 25-65 Jahren folgende zusätzliche Versorgungsansprüche (in % der Arbeitnehmer):

    betriebliche Rentenansprüche                                                57,0%

    zusätzliche Rentenansprüche im öffentlichen Dienst         18,4%

    Riester-Rente (staatlich geförderte Kapitalanlagen)            33,8%

wenigstens eine Zusatzversorgungen                                      70,4%.


Dazu kamen weitere Alterseinkünfte (in % der Arbeitnehmer):

    selbstgenutztes Wohnungseigentum                                       57%

    private Versicherungen                                                              52%

    Geldvermögen                                                                             38%.


Über die Herkunft der tatsächlichen Einkünfte von Haushalten einer über 65-jährigen „Haupteinkommensperson“ im Jahre 2016 berichtet das Statistische Bundesamt (Wirtschaftsrechnungen) sehr ausführlich (% des Haushalts-Bruttoeinkommens):

    Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit                     6,9%

    Bruttoeinkommen aus selbständiger Tätigkeit                     0,5%

    Einkommen aus Vermögen                                                    14,7%

    Einkommen aus öffentlichen Transferzahlungen            69,4%

        Gesetzliche Rente                                                                            49,0%

        Betriebsrente öffentlicher Dienst                                                    1,6%

        Pensionen                                                                                         13,7%

        übrige                                                                                                  5,0%

    Einkommen aus privaten Transferzahlungen                     8,4%

        Betriebsrenten                                                                                    4,0%

        Einkünfte aus Versicherungen                                                        1,6%

        übrige                                                                                                  2,7%

    Haushalts-Bruttoeinkommen                                                100%

    laufende Abzüge                                                                       11,9%

   Haushalts-Nettoeinkommen                                                 88,1%


Öffentliche Renten und Pensionen machten also 2016 knapp 70% aller Einkünfte der Haushalte der Älteren aus. Deren gesamtes Haushalts-Nettoeinkommen der Älteren betrug 2.649 Euro im Monat. Gemessen an dem durchschnittlichen Nettoeinkommen aller Haushalte von 3.314 Euro waren das 75%.


Das durchschnittliche Haushaltseinkommen der Älteren betrug 2016 pro Monat:

                                                        netto            brutto            Rentenanteil in %

    Ehepaare                                   2.543€          2.971€           59%

    alleinstehende Männer           1.614€          1.828€           70%

    alleinstehende Frauen            1.420€          1.611€            76%


Die soziale Frage lautet, ob die Renten als einzige Einkommensquelle bei Geringverdienern zum Lebensunterhalt im Alter ausreichen. Das ist keine Frage des Rentensystems, sondern der Sozialpolitik. In Deutschland haben hilfebedürftige Personen, die die Altersgrenze erreicht haben oder wegen einer bestehenden Erwerbsminderung auf Dauer ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Erwerbstätigkeit bestreiten können, Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter. 2016 waren nur 3% der Personen von 65 und mehr Jahren auf diese Grundsicherung angewiesen (NoteEx4.2.3).


Der Regelbedarf der Grundsicherung betrug 2014 für einen Alleinstehenden 404€ im Monat. Dazu kommen Wohnungskosten von ca. 300€ und Heizkosten von ca. 70€. Das sind insgesamt 770€ Grundsicherung im Alter für einen Alleinstehenden. Hinzu kommt an Stelle der Krankenversicherung eine Hilfe zur Gesundheit. Das ist sehr wenig.


DiaEx4.2.1 zeigt ein Bild der Schichtung der Bruttoeinkommen pro Person aus Alterssicherungen, wobei allerdings Alleinstehende oder in Partnerschaft Lebende nicht unterschieden werden. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen aller Einzelpersonen betrug 2016 1.413€. Die tatsächliche Höhe der Renten variiert vor allem mit dem durchschnittlichen Einkommen, von dem im Laufe des Erwerbslebens Beiträge gezahlt worden sind. In der Schichtung der Renten spiegelt sich die Schichtung der Arbeitnehmereinkommen. Altersarmut setzt Armut im Erwerbsleben fort.


Über das Armutsrisiko der über 64-Jährigen gibt der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Auskunft (NoteEx4.2.4). Danach bezogen 2014 13,7% von ihnen ein Nettoeinkommen von unter 60% des mittleren Einkommens – zum Vergleich: Rentner und Pensionäre 15,4%, Gesamtbevölkerung 15,5% und Erwerbstätige 9,2%.


Die Zukunftsentwicklung dieses Rentensystem ist unabsehbar. Zwar kann man die Entwicklung der Lebenserwartung vorhersagen. Aber die Entwicklungen der Beschäftigung einerseits und der Geburtenrate andererseits enthalten so viele Unwägbarkeiten, dass langfristige Prognosen wenig Sinn machen. Der Ansatz von 2006 jedoch , das formale Renteneintrittsalter bei Bedarf anzuheben und den Arbeitnehmern freie Wahl des Rentenbeginns verbunden mit kostendeckenden Ab- oder Aufschlägen zu lassen, bietet angesichts der demographischen Entwicklung eine vernünftige Perspektive, um auch in Zukunft ein angemessenes Rentenniveau zu gewährleisten.


Dieses staatliche Rentensystem beruht auf den Beiträgen, die von den Beschäftigten gezahlt werden. Solange die große Mehrheit der Bevölkerung im aktiven Lebensalter ausreichende Erwerbsarbeit findet, gibt es keinen Grund, an seiner Zukunftsfähigkeit zu zweifeln.


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