back


EXKURS 6.2. Defizit, Schulden, Zinslast –- mathematische Zusammen-hänge


Zwischen Defizit, Schulden und Zinslast der Staatsfinanzen bestehen rein mathematische Zusammenhänge, die unabhängig von wirtschaftlichen Entwicklungen gelten. Sie werden hier am Beispiel Deutschlands exemplifiziert.

  • Als Schuldenquote bezeichnet man die Staatschulden in % des BIP.
  • Staatsschulden ziehen laufende Zinszahlungen nach sich. Deren Zinssätze werden zum Zeitpunkt der Anleiheaufnahme festgelegt.
  • Diese Zinslast in % des BIP ist das Produkt aus Zinssatz mal Schuldenquote. Bei einer Schuldenquote von 60% und einem durchschnittlichen Zinssatz von 5% beträgt die Zinslast pro Jahr 3% des BIP.
  • Die Zinslast ist unabhängig von der Höhe des aktuellen Defizits. Mit der Zinslast werden die Defizite aus früheren Jahren bezahlt, und zwar so lange, wie die betreffenden Schulden bestehen.
  • Vor der Finanzkrise lag die deutsche Zinslast bei 2-3% des BIP. Das Defizit war in der Regel geringer. Wie DiaEx6.2.1 zeigt, waren die Einnahmen aus Defiziten in der Regel kleiner als die Zinsausgaben. Dies ist in der Vergangenheit in den entwickelten Industriestaaten regelmäßig so gewesen.
  • Bei einer Steuerquote von gegenwärtig 22% des BIP nehmen diese Zinsen 14% der Steuern in Anspruch. Dies ist die Zinslast in % der Steuereinnahmen. Für die Finanzierung der primären Staatsausgaben, dh. der normalen Staatsausgaben ohne die Zinsen, stehen also nur 86% der Steuereinnahmen zur Verfügung.
  • Ein Haushaltsdefizit ist die Differenz von Haushaltsausgaben minus Haushaltseinnahmen. Um den Betrag des Defizits wachsen jedes Jahr die Staatsschulden.
  • Die Schuldenquote bleibt unverändert, wenn die Schulden gleich stark wachsen wie das BIP. Für dieses Gleichgewicht der Schuldenquote lässt sich das entsprechende Defizit nach folgender Formel bestimmen:

Gleichgewichts-Defizit in % =

nominales BIP-Wachstum in % * Schuldenquote.

  • Beträgt die Schuldenquote 60%, die Inflation +2% und das durchschnittlichen Wachstum +1,5%, das Nominalwachstum also +3,5%, dann bleibt die Schuldenquote unverändert bei

60% * 3,5% = bei einem Defizit von 2,1% des BIP.


Diese Zahlen charakterisierten mittelfristig die deutsche Realität in der Zeit vor 2009. Ein durchschnittliches Defizit von 2,1% hätte die damalige Schuldenquote stabil gehalten.


Ist das Defizit aber größer als dieses Gleichgewichtsdefizit, dann wächst die Schuldenquote, und mit ihr wachsen die prozentuale Zinslast in % des BIP und der Anteil der Zinsausgaben an den Steuereinnahmen. Im Ergebnis bedeutet eine wachsende Schuldenquote, dass sich der BIP-Anteil der Mittel verringert, die für primäre Staatsausgaben zur Verfügung stehen.


Ausschlaggebend für die künftige Höhe der Zinslast ist der Anleihezinssatz. Liegt er nahe Null, dann liegt auch die Zinslast nahe Null. Wenn aber – wie es bei hohen Schuldenquoten unvermeidlich ist – die jeweils fälligen Schuldentilgungen durch neue Kreditaufnahmen mit neuen Zinssätzen finanziert werden, dann hängt die Höhe der zukünftigen Zinslast von der zukünftigen Höhe der Anleihezinsen ab.


Infolge dieser – rein mathematischen – Zusammenhänge halte ich fest:

  • Defizite, die die Schuldenquote nicht erhöhen, bringen dem Staatshaushalt weniger zusätzliches Geld, als die durchschnittliche Zinslast der bisherigen Schulden kostet.
  • Defizite, die die Schuldenquote erhöhen, vergrößern die künftige Zinslast und verringern dementsprechend dauerhaft den künftigen Ausgabenspielraum des Staates.
  • Nullzinsen ziehen eine Zinslast-Null nach sich. Für die zukünftige Höhe der Zinslast von gegenwärtigen Schulden ist aber die zukünftige Entwicklung der Anleihezinsen bestimmend.


back