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EXKURS 6.4. Die Maastricht-Kriterien der EU


Viel diskutiert ist die Frage: Welche Schuldenlast ist tragbar? Die EU hat dafür 1991 im Vertrag von Maastricht als Kriterium für die Einhaltung der Haushaltsdisziplin formuliert, dass der Schuldenstand eines Staates 60% seines BIP nicht überschreitet. Diese Zahl war zwar eine gegriffene Größe. Das Ziel des Kriteriums war es jedoch, ein ständiges Wachsen der Schuldenquote eines Mitgliedstaates zu vermeiden. Dem dient auch das 2. Stabilitätskriterium des Vertrages: dass das Haushaltsdefizit eines Staates 3% des BIP nicht überschreitet.


Die Rechnung der EU von 1991 war einfach: Bei einer durchschnittlichen Wachstumsrate des nominalen BIP von 5% und einem Schuldenstand von 60% wird dieser nicht wachsen, wenn das Defizit 3% nicht überschreitet. Denn wenn der Schuldenstand des nächsten Jahres gleich dem Schuldenstand diesen Jahres plus dem Defizit ist, folgt mathematisch:

  • die Schuldenquote wächst nicht, wenn die Defizitquote nicht größer ist als das Produkt aus nominaler Wachstumsrate*Schuldenquote = 5%*60% = 3%.


Inzwischen haben sich diesbezüglich die Verhältnisse in der EU geändert. Die Inflation liegt eher bei 2%, die reale Wachstumsrate bei 1,5%. Bei einer nominalen Wachstumsrate von 3,5% (aus 2% Inflation und 1,5% Realwachstum) dürfte eine Defizitquote von 2,1% (3,5%*60%) nicht überschritten werden, wenn die Schuldenquote nicht wachsen soll.


Zur Kontrolle der Einhaltung der Maastricht-Kriterien hat der Rat der EU einen „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ beschlossen, durch den die Haushalte und Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten überwacht werden sollen. Dieser Pakt ist wiederholt reformiert und verschärft worden, zuletzt 2011 in Reaktion auf die Finanzkrise (Sixpack). Die Mitgliedstaaten sind danach verpflichtet, dem ECOFIN-Rat jährlich aktualisierte Stabilitätsprogramme vorzulegen. In einem bestimmten Verfahren soll festgestellt werden, ob in einem Mitgliedsstaat ein „übermäßiges“ Defizit eingetreten ist. Gegen Mitgliedstaaten des Euro-Gebiets, die keine angemessenen Maßnahmen ergreifen, können finanzielle Sanktionen verhängt werden.


Neben dem Kriterium des maximalen Defizits von 3% wird der Einhaltung der Schuldenquote von maximal 60% größere Aufmerksamkeit geschenkt. Es werden erstmals Mitgliedstaaten, deren Schuldenquote höher liegt, Abbaupfade der Schuldenquote auf 60% des BIP vorgeschrieben. Sie müssen jährlich 5% der Differenz zwischen ihrer Schuldenquote und der 60%-Marke abbauen.


Wird bei einem Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit festgestellt, dann leitet der Rat ein Verfahren ein. Die betroffenen Staaten müssen einen Plan vorlegen, wie sie das Defizit abbauen wollen. Bei Verletzung dieses Planes können finanzielle Sanktionen verhängt werden.


Im Rahmen einer präventiven Haushaltsplanung wird für jeden Mitgliedstaat ein mittelfristiges Haushaltsziel gesetzt, das die Tragfähigkeit seiner Finanzen gewährleisten soll. Entspricht die Haushaltsplanung eines Mitgliedstaates nicht dem präventiven Teil des Pakts, kann der Mitgliedstaat zur Vorlage neuer Pläne aufgefordert werden, die die Anforderungen erfüllen.


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