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EXKURS 7.1. Die Entstehung der Finanzkrise (NoteEx7.1.1)


Die Finanzkrise führt zurück auf Ungleichgewichte im internationalen Handelsverkehr, die sich über lange Jahre kumuliert haben. Hier wird ein Rückblick auf die Jahre 2000-2007 genommen, der sich auf die kumulierten Entwicklungen der internationalen Handels-, Leistungs- und Kapitalbilanzen stützt.


Bei der Suche nach den Staaten, die in den Jahren vor der Finanzkrise, gemessen in Dollars, die größten positiven oder negativen Außenbeiträge aufwiesen, wurden 7 Staaten identifiziert: Die größten Handelsüberschüsse wiesen China, Deutschland, Japan, und Russland auf, die größten Defizite USA, das Vereinigte Königreich und Spanien. Diese Staaten haben bei der Entstehung der Krise eine besondere Rolle gespielt. Charakteristisch für sie sind ihre Außenbilanzen: Außenbeitrag (Waren und Dienstleistungen), Leistungsbilanz (zuzüglich Erwerbs- und Vermögenseinkommen und laufende Übertragungen) und Kapitalbilanz (Kapitalbewegungen als Gegenstück der Leistungsbilanz).


3 Staaten mit besonders großen negativen Außensalden von 2000 bis 2007 (Summe aus 8 Jahren) waren, in Mrd. USD (% der drei negativen Kapitalbilanzsummen) (DiaEx7.1.1 und DiaEx7.1.2): 

                            Außenbeitrag   Leistungsbilanz   Kapitalbilanz    % neg.

                                                                                                                  Kapitalbilanz

    USA                -4.438                 -4.690                    -4.571                  -87%

    Spanien             -328                    -518                       -434                    -8%

    Vereinigtes 

    Königreich        -443                    -340                       -274                     -5%

    zusammen     -5.209                 -5.548                     -5.279                -100%


Dem standen vier finanzierende Staaten mit hohen positiven Leistungssalden gegenüber, in Mrd. USD (% der negativen Kapitalbilanzsumme):

    Japan                  +530               +1.204                     +1.109                 +21%

    China                  +823                  +903                       +966                  +18%

    Deutschland      +897                  +693                       +731                  +14%

    Russland            +578                  +445                       +374                     +7%

 zusammen          +2.829              +3.245                    +3.180                   +60%


Relativ zur Größe des BIP hatte Russland mit 11,6% den größten Exportüberschuss: die Erträge aus dem Energieexport wurden großenteils im Ausland angelegt. Bei Japan betrug der Handelsüberschuss dagegen nur 1,5%. Das Vereinigten Königreich hatte einen eher kleinen negativen Außensaldo von -2,6%. Die übrigen Salden lagen positiv wie negativ bei 4% und 5% des BIP.


Zum Außenhandel kamen die internationalen Flüsse der Erwerbs- und Vermögenseinkommen hinzu, insb. bei Japan. Zusammen werden sie in der Leistungsbilanz abgebildet. Zuzüglich des Saldos der Vermögensübertragungen erfasst die Kapitalbilanz den Veränderungssaldo aller Geldvermögen und Verbindlichkeiten eines Landes gegenüber der übrigen Welt. Auch wenn die verfügbaren Statistiken die Kapitalströme zwischen den einzelnen Ländern nicht ausweisen, so kann man doch annehmen: Die Kapitalbilanzen der 4 Länder mit positiven Salden finanzierten einen Großteil der negativen Salden der USA.


Für Deutschland liefert die Bundesbank eine Aufschlüsselung der Außensalden aus 8 Jahren, insgesamt und nach Partnerländern (Mrd. USD):

                                    insgesamt     EU28        USA        übrige Welt

    Außenbeitrag        797                 710            227          -137

    Leistungsbilanz     592                492            231           -131

    Kapitalbilanz          643                244            399             +1


Den größten Anteil am deutschen Außensaldo haben europäische Staaten. Am Überschuss der deutschen Kapitalbilanz sind die USA allerdings zu über 60% beteiligt – 399 Mrd. Euro. Wenigstens 150 Mrd. USD haben deutsche Vermögensbesitzer aus der EU in die USA weitergeleitet.


Charakteristika der drei Staaten mit hohen Außenhandelsdefiziten waren: Während die USA und das Vereinigte Königreich niedrige Investitionsquoten, hohe Konsumquoten und insb. eine hohe private Verschuldung aufwiesen, hatte Spanien eine hohe Investitionsquote.


Insgesamt beherrschen die negativen Bilanzen der USA das Bild. Die hohen Handelsdefizite der USA in Höhe von 5 bis 6% des BIP nahmen die Überschüsse Japans, Chinas, Deutschland und Russlands in Anspruch. Die Kapitaldefizite der USA sind besonders in den Jahren 2004 bis 2008 stark gewachsen. Sie wurden größtenteils durch Wertpapierverkäufe realisiert.


Eine Aufschlüsselung des Außenbeitrags der USA nach Partnerländern zeigt folgende Tabelle:

    Außensaldo der USA mit Handelspartnern

    Summen 2000-2007         in Mrd. USD     in %

        China                             -1.347                  26,8%

        Kanada                          -1.104                  21,9%

        Japan                                 -536                  10,6%

        Mexiko                              -386                    7,7%

        EU ohne Deutschland     -284                    5,6%

        Deutschland                     -227                    4,5%

        Saudi Arabien                  -133                     2,6%

        Russland                             -72                     1,4%

        andere                                -947                   18,8%

        zusammen                     -5.034                  100%


China ist inzwischen der größte Gläubiger der USA, der bevorzugt amerikanische Staatsanleihen zur Finanzierung seines Handelsüberschusses annimmt. Allerdings betrug der chinesische Anteil an US-Staatsanleihen 2015 nur 7%, gefolgt vom japanischen mit 6%. 68% dieser Anleihen befinden sich in us-amerikanischem Besitz (NoteEx7.1.2).


Wie wurden diese Außendefizite finanziert, und wer waren die Schuldner? – Die Direktinvestitionen spielten in dieser Zeit – 2000-2007 – eine geringe Rolle. Es ging vor allem um den Export von Wertpapieren und Krediten. Die Zahlen drücken die Summen von 8 Jahren aus.

  • USA
    • Die 3 Außensalden, Handels-, Leistungs- und Kapitalbilanz, waren etwa gleich groß. Dh. der Handelssaldo bestimmte den Vermögensabfluss ins Ausland, der sich in 8 Jahren auf 44% eines Jahres-BIP summierte.
    • Der Export von Wertpapieren betrug 40% des BIP von 2000.
    • Die Verschuldung des Staates wuchs nur um 10 Prozentpunkte des BIP.
    • Dagegen wuchs die Verschuldung der Privaten insgesamt um 31 Prozentpunkte des BIP, die der Privaten Haushalte (+O.o.E) um 34 Prozentpunkte ihres verfügbaren Einkommens, und zwar nahezu vollständig als Hypotheken.
    • Der Wohnungsbau erlebte in dieser Zeit einen Boom mit einem Höhepunkt von 8,1% des BIP in 2005.
  • Spanien
    • Der Vermögensabfluss von 73% des BIP übertraf das Handelssaldo um 32%. Es ging also nicht nur um die Finanzierung des Handels, sondern auch von Bauinvestitionen.
    • Der Export von Wertpapieren betrug 75% des BIP von 2000. Dazu kamen andere Kapitalexporte von 35%, vor allem in Form von aufgenommenen Bankkrediten.
    • Die Verschuldung des Staates sank in dieser Zeit um -23 Prozentpunkte des BIP.
    • Dagegen wuchs die Verschuldung der Privaten insgesamt um 94 Prozentpunkte des BIP, die der Privaten Haushalte unterdurchschnittlich um 70% ihres verfügbaren Einkommens.
    • Der Wohnungsbau erlebte in dieser Zeit einen Boom mit einem Höhepunkt von 12,1% des BIP in 2006.
  • Vereinigtes Königreich
    • Der Vermögensabfluss in Höhe von 18% des BIP betrug nur 62% des Handelssaldos. Die Differenz wurde durch Auslandserträge und Vermögensübertragungen ausgeglichen.
    • Der Export von Wertpapieren betrug 46% des BIP, während die übrigen Kapitalbewegungen von +11% positiv waren.
    • Die Verschuldung des Staates blieb in dieser Zeit unverändert.
    • Dagegen wuchs die Verschuldung der Privaten um 37 Prozentpunkte des BIP, die der Privaten Haushalte sogar um 66 Prozentpunkte ihres verfügbaren Einkommens, zum größten Teil im Bereich der Hypotheken.
    • Der Wohnungsbau erlebte in dieser Zeit einen Boom mit einem Höhepunkt von 7,5% des BIP in 2006.


Vom Volumen her dominierten die USA diese Entwicklungen auf dem internationalen Kapitalmarkt. Und auch wenn China seine Handelsüberschüsse in den USA bevorzugt durch amerikanische Staatsanleihen finanziert, so waren in den USA in erster Linie private Schuldner an der Finanzierung des Außenbeitrags beteiligt. Und wenn man beachtet, dass der Wohnungsbau in den USA von 2000 bis 2007 5,3 Billionen USD gekostet hat, dann wird der Zusammenhang deutlich.


Diese riesigen Kreditströme vor allem in die USA zur Finanzierung des Wohnungsbaus lieferten die Grundlage der Finanzkrise.


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