back


EXKURS 7.5. Geldschwemme in Silicon Valley


Christoph Keese berichtet in seinem Buch „Silikon Valley“ (NoteEx7.5.1) über Start-ups zur Verwertung von Internet-Angeboten, die in Silikon Valley von Milliardären finanziert werden. In Silikon Valley sind mehrere „Incubatoren entstanden –– Start-up-Schmieden mit professionellen Mentoren-Programmen, in denen Erfinder ihr Projekt in beurteilbare Form bringen. Diese Incubatoren arbeiten nach folgendem Modell:

  • Start-up-Teams bewerben sich mit einem Firmenkonzept, das sie präsentieren.
  • Diese Firmenkonzepte konzentrieren sich auf den produktiven Einsatz von Computern im Internet, insb. mittels innovativer Softwareentwicklungen. Dadurch sollen große Umsätze generiert werden.
  • Die Gewinner eines Wettbewerbs ziehen in Gemeinschaftsbüros ein und durchlaufen ein dreimonatiges Fortbildungsprogramm. Dabei entwickeln sie ihr Firmenkonzept so weit, dass es für Investoren attraktiv ist.
  • In der Regel müssen sie nichts bezahlen. Einige der Start-up-Schmieden lassen sich im Erfolgsfalle mit etwa 7% der späteren Aktien eines Teams vergüten.
  • An Demo-Days stellen sich die Teams mit ihren Konzepten einem „vollen Auditorium von Investoren“ vor. Keese berichtet von zweimal jährlich stattfindenden Demo-Days, an dem „„450 der reichsten und einflussreichsten Technologie-Investoren“ (NoteEx7.5.2) nach den einzelnen Präsentationen der Teams diesen Finanzierungs-Angebote machen.
  • Die Finanzierung besteht aus einem stattlichen Startkapital für eine bestimmte Frist gegen einen Aktienanteil des Start-up.
  • Nur die besten Teams finden sofort eine Startfinanzierung durch einen oder mehrere Investoren.
  • Mit diesen Mitteln stellen die Start-ups zunächst Fachkräfte als Mitarbeiter für die praktische Ausarbeitung ihres Projekts ein. Je nach Entwicklungsgrad des Projekts erhalten sie Anschlussfinanzierungen. Im Durchschnitt beträgt eine Startfinanzierung 22 Millionen Dollar.


In Silicon-Valley werden jährlich 25 Milliarden Dollar Wagniskapital für Start-ups eingesetzt. Das Geld wird in einer einzigen langen Straße verteilt: Sand Hill Road. Dort haben sich Venture Capital Fonds niedergelassen. Sie setzen Wagniskapital ein, denn das Verlustrisiko ist groß. Die Investoren streuen ihre Kapitaleinsätze. Keese zitiert einen Investor, der sein Kalkül vorrechnet (NoteEx7.5.3):

  • „„Wenn ein Fonds insgesamt eine Milliarde in zehn Firmen investiert, gehen 900 Millionen in Flops verloren. Die verbleibenden 100 Millionen müssen in 10 Jahren zwei Milliarden verdienen.“


Das wäre eine jährliche Rendite von 7%. Wenn der Investor einen Anteil von 20% an dem geförderten Start-up übernimmt, ist der erforderliche Gewinn des Unternehmens nach 10 Jahren 10 Milliarden. Das Ziel ist, einen Gründer zu erwischen, der diese 10 Milliarden schafft.

  • „Zu Beginn der Investition wissen wir nicht, wer das schaffen kann und wer nicht. Da ist es nur logisch, dass wir von jedem Start-up verlangen, dass es 10 Milliarden ins Visier nimmt. Wer keine Idee hat, wie er dahin kommen kann, wird es ganz sicher nicht schaffen“ (NoteEx7.5.4). Es müssen schon umwälzende Ideen im Softwarebereich sein.
  • Diese hohen Werte stehen für die Gesamtheit der abgezinsten Erträge in der Zukunft. Sie repräsentieren die Erträge während der Lebenszeit des Projekts.


Hinter diesen riesigen Ertragsmöglichkeiten stehen einige Besonderheiten innovativer Internetgeschäfte:

  • Es werden Internetnutzungsrechte einer innovativen Software verkauft.
  • Eine Nutzung besteht in der Anwendung dieser Software.
  • Der Großteil der Kosten sind Fixkosten.
  • Die laufenden Kosten des eingesetzte Personals sind vernachlässigenswert gering. Google, das Alphabet.Inc. gehört, hatte 2017 bei einem Umsatz von 111 Mrd. Dollar nur 85.000 Mitarbeiter. Das waren 1,3 Mio. Dollar Umsatz pro Mitarbeiter.
  • YouTube, 2005 gegründet, ist nach 18 Monaten Betrieb für 1,65 Mrd. Dollar an Google verkauft worden. Damals waren es 67 Mitarbeiter. Heute macht das Unternehmen weltweit mit 3-5 Tausend Mitarbeitern 15 Milliarden Dollar Umsatz – 2-3 Mio. Umsatz Dollar pro Mitarbeiter.
  • Die variablen Kosten sind so gering, dass der Großteil des Umsatzes Gewinn ist.
  • Die einzelnen Kunden geben nur wenig Geld für eine Softwarenutzung aus. Den Umsatz bringt die Masse der Nutzer weltweit.
  • Es geht um schnelles Wachstum im Web. An der Sand Hill Road wird nur in schnell expandierenden Geschäfte investiert. Im WorldWideWeb brauchen diese Firmen sehr wenig Geld, um zusätzliche Kunden zu gewinnen. Z.B. Flipboard: 80 Mitarbeiter, 60 Mio. Nutzer. 15 Ct. Serverkosten pro Jahr für einen zusätzlichen Kunden: jeder Umsatz eines zusätzlichen Kunden ist Gewinn.
  • Wenn ein solches Unternehmen pro Kunde nur einen Dollar im Monat Umsatz macht, bringen weltweit 100 Mio. zusätzliche Kunden pro Jahr 1,2 Mrd. Dollar.


Die Kehrseite dieser so spektakulären Geschäfte: Sie sind sehr selten. Insgesamt ist die Start-up-Finanzierung für die Geldbesitzer kein rentables Geschäft. Laut Keese liegen die Renditen der in Start-ups investierenden Fonds in Silicon Valley seit 2000 nahe Null (NoteEx7.5.5).


Und auch die volkswirtschaftliche Interpretation ist ernüchternd:

  • Es werden wenig Arbeitsplätze geschaffen.
  • Es werden neue Konsumangebote geschaffen, die auch deshalb so attraktiv sind, weil sie den einzelnen Kunden sehr wenig kosten.
  • Dh. der Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung ist relativ gering. Er fließt ganz überwiegend den Gewinneinkommen zu und geht von dort vor allem in den Zuwachs anlagehungrigen Geldvermögens.
  • Die geringen Kosten und die relative Größe der weltweiten Kundschaft bringen die Rendite.
  • Amazon bildet eine Ausnahme: Sein Geschäftsmodell verdrängt qualifizierte durch weniger qualifizierte Arbeitnehmer. Diesen Rationalisierungseffekt teilt sich Amazon mit seinen Kunden.


Bei näherer Betrachtung handelt es sich nicht um ein tragfähiges Investmentmodell. Vielmehr wetten hier, im inspirierenden Umfeld technologischer Innovation, reiche Geldbesitzer mit großen Einsätzen auf jugendlichen Erfindergeist. Die Investoren zocken. Sie würden es nicht tun, wenn sie es sich nicht leisten könnten.


back