Kap. 2. Geld, Geldvermögen und Schulden
Was ist GELD?
Es fällt schwer, zu verstehen, was Geld ist. Das rührt daher, dass das Geld sehr unterschiedliche Funktionen hat:
Darüber hinaus hat Geld eine sehr unterschiedliche Bedeutung einerseits als Besitz, als Haben, als Forderung, und andererseits als Schulden. Diese verschiedenen Seiten von Geld können wir als Personen in der Regel leicht verstehen. Schwierigkeiten bereiten sie, wie die Finanzkrise gezeigt hat, im großen Zusammenhang der Politik, wenn es um Gläubiger und Schuldner geht.
Ein Blick auf die Bilanz der deutschen Geldvermögen Ende des Jahres 2014 soll dies verdeutlichen. Wir betrachten hier nur das Geldvermögen, in Euro: Tab2.1n und in % des BIP: Tab2.1q. Das Sachvermögen stellen wir ihm im Kapitel Kapitalmarkt gegenüber (Kap. 7.2).
Diese Bilanz der Deutschen Bundesbank enthält neben dem Geld auf den Bankkonten nur das Stückgeld – Münzen und Scheine, soweit es sich im Besitz der Banken befindet. Man weiß zwar, wie viel Stückgeld die Bundesbank in Euro insgesamt ausgegeben hat: bis Ende 2014 268 Mrd. Euro. Und man weiß auch, wie viel Bargeld die deutschen Banken in ihren Tresoren liegen haben: Ende 2014 230 Mrd. Euro. Aber in Bezug auf das außerhalb der Banken umlaufende Bargeld weiß niemand, in welchem Land es sich im Augenblick befindet oder gar wer es in einem Moment besitzt. Deshalb fehlt dieser Teil des Stückgeldes in dieser Vermögensbilanz. 2014 betrug er 38 Mrd. Euro. Das waren 1% des BIP.
Die Finanzstatistik der Bundesbank, die in unseren Tabellen (Tab2.1q) dargestellt wird, fasst zur Erhellung von Zusammenhängen alle Geldbesitzer und Schuldner in 5 Gruppen mit unterschiedlichen wirtschaftlichen Rollen zusammen:
Das Geldvermögen wird hier untergliedert:
Bei jedem dieser Geldvermögen steht dem Besitzer (Gläubiger) auf der Seite der Verbindlichkeiten ein Schuldner gegenüber. Interessant ist das Nettogeldvermögen, dh. das Geldvermögen minus Verbindlichkeiten. Die privaten Haushalte besaßen Ende 2014 ein Nettogeldvermögen von 3,8 Billionen Euro, die Finanziellen Kapitalgesellschaften von 0,6 Billionen Euro. Dies sind die Geldvermögensbesitzer. Die Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften dagegen hatten 1,9 Billionen Euro Schulden, der Staat hatte 1,4 Billionen Euro Schulden, und die Übrige Welt hatte in Deutschland 0,9 Billionen Euro Schulden.
Die Pointe dieser Bilanz ist: Die Summe aller Geldvermögen ist identisch gleich der Summe aller Verbindlichkeiten. Bzw.: Die Summe aller Nettogeldvermögen ist Null. Das gilt auch für die einzelnen Zeilen der Salden, die zum Nettogeldvermögen beitragen: In jeder der Zeilen ist die Summe Null. Nur das Währungsgold ist eine Ausnahme: Es ist ein Sachwert, dem keine Forderung gegenübersteht.
Was bedeutet das? – Wir haben zwar eine gewisse Menge Bargeld. Aber wirkliches Geldvermögen hält man nicht bar. Jedes Geld, das wir auf Konten einer Bank eingelegt haben, ist eine Schuld dieser Bank uns gegenüber. Für alle Wertpapiere und Anteilsrechte bürgen deren Emittenten als Schuldner, für alle Versicherungsansprüche die Versicherungen. Jedes Geld auf Bankkonten, als Wertpapier oder als Versicherungsanspruch, das wir unser Eigen nennen, ist eine Forderung gegenüber Schuldnern. Mit jeder Vermehrung des Geldvermögens nehmen in gleichem Umfang Geldschulden zu. Das Nettogeldvermögen aller Konten in einem Land, zu dem auch die Forderungen an das Ausland bzw. die Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland gehören, bleibt Null. Es gibt kein Geldvermögen ohne Verbindlichkeiten, dh. ohne Schulden.
Auffällig ist das geringe Nettogeldvermögen der Finanziellen Kapitalgesell-schaften. Möglichst alles Geld, das Kunden bei ihnen eingelegt haben, verleihen sie in Form von Schuldverschreibungen und Krediten weiter. Mit anderen Worten: Die Banken reichen unsere Forderungen weiter. An wen, wissen wir in der Regel nicht. Wer am Ende der Forderungskette, die jedes Geld bedeutet, der letzte Schuldner ist, wissen wir als Geldbesitzer nicht. Wir wissen höchstens, wer in Deutschland dafür haftet. Bei Bankeinlagen die Bank, im Falle ihrer Insolvenz haftet die Einlagensicherung aller Banken bis 100.000 Euro. Und darüber hinaus? Die Steuerzahler?
Für Einlagen bei deutschen Banken hat sich die Bundeskanzlerin Merkel im Oktober 2009 im Namen der deutschen Steuerzahler verbürgt. Das waren ca. zwei Billionen Euros bzw. 90% eines Jahresprodukts Deutschlands. Mit dieser Bürgschaft erledigt sich die Frage, um wessen Schulden es sich dabei handelt.
Ausländer dagegen haben bei Deutschen per Saldo über 8 Billionen Euro Verbindlichkeiten, die vor allem aus deutschen Exportüberschüssen resultieren. Wer diese Schuldner sind, und wer die deutschen Gläubiger, wissen wir nicht.
Die Schwierigkeit, Geld im politischen Zusammenhang zu verstehen, hängt damit zusammen, dass zu jedem Geldbesitzer Schuldner gehören, Zwillinge, die sich in der Regel nicht kennen, nicht ihre Nationalität und nicht ihre Zahlungsfähigkeit. Aber mit dem Schuldner verbinden den Geldbesitzer die Hoffnung und das politische Interesse, er möge zahlungsfähig sein und bleiben.
Geld existiert also paarweise: als eine Forderung und eine Schuld zugleich, deren Summe Null ist. So wird auch verständlich, wie Geld geschaffen wird: Wenn eine Bank mir einen Kredit gibt, überweist sie ihn auf mein Bankkonto. Er bedeutet für mich wirkliche Kaufkraft. Gebucht wird er aber bei mir als Schuld und bei der Bank als Forderung. Wenn die Bank Geld schöpft, gibt sie Geld und behält eine Forderung. Die Summe ist Null.
Auf die Entwicklung der Vermögen gehen wir ausführlich in Kap.7.2 ein.