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Kap. 3. Die Geldkreisläufe der Wertschöpfung


Der Wirtschaftskreislauf ist ein seit dem 16. Jahrhundert entwickeltes Abbild der zusammengefassten Wirtschaftsvorgänge, das dazu dienen soll, sie verstehbar und analysierbar zu machen. In der Regel werden so die Warenströme der Volkswirtschaft dargestellt. In der Marktwirtschaft geht es jedoch vorrangig um Geld als Ergebnis des Wirtschaftens, als dessen Treibstoff. Deshalb interessieren uns hier die Geldkreisläufe. Die Geldkreisläufe der Wertschöpfung schildern den logischen Ablauf der Zahlungen, Einnahmen und Ausgaben, im Produktionsprozess des Bruttoinlandsproduktes:

  • von den vorbereitenden Käufen der Unternehmen,
  • über die Einkommensflüsse an die Arbeitnehmer
  • und die verschiedenen Eingriffe des Staates,
  • über die Umverteilungszahlungen,
  • über die Käufe der Produkte von deren Verwendern: Konsumenten und Investoren sowie Übrige Welt,
  • bis zur Bilanz der Vermögensbildung.


Die Kreisläufe der einzelnen Produktionsvorgänge verlieren sich in der Gesamtwirtschaft in einem undurchsichtigen Chaos von Zahlungen und Warenströmen. Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) hat den Zweck, auf der Basis objektiver Daten ein zusammenfassendes Abbild dieser Zahlungsströme zu geben.


In der herkömmlichen VGR stehen das Bruttoinlandsprodukt und seine Bestandteile als Werte der Produktion den Einkommen aus der Produktion gegenüber. Abweichend davon verfolgen wir hier die Zahlungsströme von Einnahmen und Ausgaben zwischen den fünf Sektoren der Wirtschaft, die wir in Kap. 2 dargestellt haben. Kauf und Verkauf, zwei Seiten einer Sache, sind gleich groß. Die Einkommen entstehen aus dem Verkauf des BIP, den Bezahlungen der Arbeitnehmerentgelte und den Zahlungen von Steuern und Beiträgen.


Diese Darstellung der produktiven Geldkreisläufe in den folgenden Tabelle ist bemüht, zwischen Unternehmungen und Haushalten bzw. Produzenten, Konsumenten und Investoren zu unterscheiden. Die VGR fasst leider die privaten Haushalte und die Unternehmen von Selbstständigen in dem Sektor Private Haushalte und Organisationen ohne Erwerbscharakter zusammen. Das verschleiert einen Teil der Kreislaufbeziehungen.


Die Tabellen Tab3.1n und Tab3.1q bieten am Beispiel des Jahres 2014 ein Abbild der Geldkreisläufe der Produktion in Deutschland (Note3.1).Die einzelnen Zeilen stellen Messstellen der Geldströme in der VGR dar. Sie sind in der Tabelle durch Ziffern gekennzeichnet (im Text in Klammern). Die Sektoren unterteilen als Spalten die Tabelle. Zahlungsströme zwischen den Sektoren werden mit plus (+) und minus (-) gekennzeichnet.



Die Produktionskosten als Vorleistungen

Bevor eine Unternehmung produziert, gibt sie Geld für Vorleistungen aus. Der produktive Geldkreislauf beginnt mit dem Kauf von Vorprodukten durch die Produzenten (siehe Zeile 1 der Tabelle). Die Gesamtrechnung erfasst die Summe aller entsprechenden Zahlungen von Produzenten an Produzenten als Vorleistungen. Vorgeschossene Leistungen der Produzenten sind aber auch deren Zahlungen von Arbeitnehmerentgelten incl. der von den Arbeitgebern zu entrichtenden Beiträge zur Sozialversicherung (2a). Für die Empfänger sind die Arbeitnehmerentgelte Einkommen (2b).


Diese Vorleistungen zur Bezahlung ihrer Produktionskosten finanzieren die Produzenten in der Erwartung, für ihre Produkte am Markt ausreichende Käufer und Preise zu finden, mit ihren Eigenmitteln und mit kurzfristige Krediten. Voraussetzung für diese Vorfinanzierung sind ausreichende kurzfristige Bankkredite. Je zugänglicher diese Kredite, desto leichter fällt den Unternehmen die Vorfinanzierung zusätzlicher Produktion und Beschäftigung.


Eine besondere Rolle spielen in den Zahlungsströmen die Arbeitseinkommen. Die Masse der Arbeitnehmerentgelte fließt, nach Abzug der Sozialbeiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie der Lohn- und Einkommenssteuern, den privaten Haushalten zu. Die meisten privaten Haushalte leben von diesen Arbeitseinkommen. Die Zahlung der Arbeitnehmerentgelte ist eine wesentliche Voraussetzung für den Kauf der Konsumgüter durch die privaten Haushalte. Der Kreislauf der Arbeitseinkommen dauert normalerweise einen Monat. In der Regel zum Monatsersten fließen die Einkommen auf die Arbeitnehmerkonten.


Die Eingriffe des Staates

Beim Verkauf der Produkte kassiert der Staat Verbrauchsteuern und Importabgaben (10,7% des BIP), die auf die von den Händlern festgelegten Preise aufgeschlagen werden, also die Produkte verteuern (4). Staatliche Subventionen werden dem gegengerechnet (5). In etwa dem gleichen Umfang nimmt der Staat direkte Steuern und Abgaben von privaten Haushalten und Unternehmungen ein (9). Zugleich zahlt er annähernd das, was er als Sozialbeiträge eingenommen hat (7), als monetäre Sozialleistungen: Renten, Pensionen, Sozialhilfe usw. (8).


Die privaten Haushalte empfangen so ihre laufenden Arbeits- und Sozialeinkommen. Nach Abzug ihrer Steuern bleibt ihnen ihr verfügbares Arbeits- und Sozialeinkommen. Dieses bestimmt bei der Masse der Haushalte weitgehend deren Kaufkraft, dh. deren Fähigkeit. Produkte des Wirtschaftskreislaufes zu bezahlen.


Im Zwischensaldo Produktionskosten werden diese Zahlungen zusammengefasst (10), worin die Käufe zwischen den Unternehmungen als Doppelzählungen enthalten sind.


Der Verkauf der Erzeugnisse (Tab3.1q)

Erst im Verkauf erfahren die Produkte als Erlöse ihren Geldwert: den Produktionswert der VGR (11) (Note3.2).Auch hierin sind die Erlöse aus Verkäufen zwischen Unternehmungen mehrfach enthalten. In der Subtraktion Produktionswert minus Produktionskosten heben sich diese Mehrfachzählungen auf. Diese Differenz ist das Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen, das BIP (12). Es ist die Wertsumme aller neu geschaffenen Produkte eines Jahres und zugleich, gegliedert nach Sektoren, die Summe aller Einkommen = Einnahmen minus Ausgaben. Brutto bedeutet, dass in dieser Summe die Abschreibungen enthalten sind, die die Unternehmungen in ihrer Gewinnrechnung als Kosten des Verbrauchs von Kapital absetzen.


Die Umverteilung und Übertragung von Einkommen

Die Erlöse aus dem Verkauf des BIP sind zugleich Einkommen. Diese werden nun zwischen den Sektoren umverteilt: Ausschüttung von Vermögenseinkommen (13), sonstige laufenden Übertragungen vom Staat und den Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften an die Privaten Haushalte und die Übrige Welt (14), Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche an die Privaten Haushalte (15) sowie Vermögensübertragungen (16). Das Resultat dieserUmverteilung der Erlöse aus dem Verkauf des BIP steht als Verfügbares Einkommen zur käuflichen Verwendung des BIP zur Verfügung (17) (Note3.3).


Kauf der Erzeugnisse

Die VGR unterteilt die Käufe des BIP in zwei Verwendungsarten: Konsum und Investitionen.


74% des Bruttoinlandsproduktes wurden in Deutschland 2014 für Konsumzwecke verwendet, davon 54% von den privaten Haushalten und 19% vom Staat (18). 8% des BIP entfallen auf Arbeitnehmerentgelte des Staates, die von der VGR als Konsum staatlicher Dienstleistungen interpretiert werden.


In der Logik der VGR wird das verfügbare Einkommen entweder konsumiert oder gespart, und die Ersparnis ist in der klassischen Ökonomie die Geldsumme, die für Investitionen zur Verfügung steht. Nur wenn alle Ersparnisse für den Kauf von Investitionsgütern verwendet werden, werden alle im Produktionskreislauf erzeugten Güter von einem Endverwender gekauft. Wir kommen darauf zurück (Kap.7.1).


Wir definieren die Differenz von verfügbaren BIP und Konsumausgaben als Bruttoersparnis (19) bzw., nach Abzug der Abschreibungen (20), als Nettoersparnis (21).


Die Investitionen, dh. die Käufe von Investitionsgütern, erhöhen das Sachvermögen. Die Bruttoinvestitionen gliedern sich in Bruttoanlageinvestitionen und Vorratsveränderungen. Gekauft werden die Bruttoanlageinvestitionen für längerfristig verwendete Anlagen (22). Sie betrugen 2014 in Deutschland 20% des BIP. Bemerkenswert ist die Verwendungsgliederung dieser Investitionen (in % der Bruttoanlageinvestitionen):

    Wohnbauten                           29%,

    Nichtwohnbauten                 20%,

    Maschinen und Geräte         23%,

    Fahrzeuge                               10% und

    sonstige                                   18%.

Die Käufer dieser Bruttoanlageinvestitionen sind ganz überwiegend die Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften. Die Privaten Haushalte investieren vorwiegend in Wohnbauten.


Die Bruttoanlageinvestitionen abzüglich der Abschreibungen ergeben die Nettoanlageinvestitionen (23). Von der Bruttoersparnis ziehen wir die Bruttoanlageinvestitionen ab: Zwischensaldo Käufe (24). Es ist das gleiche Ergebnis wie der Saldo aus verfügbarem BIP (17) minus Konsumausgaben (18) minus Bruttoanlageinvestitionen (22).


Der Außenhandel wird in dieser Darstellung dem Sektor Übrige Welt zugeordnet: Zu den Käufen des BIP gehören auch die Exporte (25). In der Gesamtrechnung werden ihnen die Importe gegengerechnet (26). Der Saldo ist der Außenbeitrag, der einen positiven oder negativen Anteil des BIP bildet (27). Für 2014 ergaben sich folgende BIP-Anteile:

    Exporte: 45,7%

    Importe: 38,8%

    Außenbeitrag: +6,9%.

Ein positiver Außenbeitrag als Differenz zwischen Verkäufen und Käufen wird von der VGR als nationale Forderung an die Übrige Welt verbucht.


Die Abrechnung der Produktion (Tab3.1q)

Diese Ausgaben für Käufe für Konsum und Investitionen sowie der Außenbeitrag werden hier vom verfügbaren BIP abgezogen. Es verbleibt der Endsaldo Käufe (28). Der nicht verkaufte Teil des BIP wird in der VGR als Vorräte zu den Investitionen gezählt, da er das Sachvermögen erhöht (29). Je nach Konjunkturlage ist er positiv oder negativ. 2014 betrug er minus 0,6% des BIP. Dh. es wurden über die Produktion hinaus Teile der Vorräte verkauft. Nach Abzug dieser Vorratsveränderungen erhalten wir die Differenz von Sparen minus Investieren, die zusammen mit dem Saldo der Übrigen Welt immer Null sein sollte (30).


Um dies zu erreichen sind weitere marginale Korrekturen (31 und 32) erforderlich. Es verbleibt als Differenz von verfügbarem und verwendetem BIP der Finanzierungssaldo der Produktion (33). Insgesamt ist er logischerweise Null, weil die Produktion restlos verwendet wird. Aber zwischen den Sektoren ergeben sich charakteristische Unterschiede – 2014 % des BIP:

    Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften        +3,1%

    Finanzielle Kapitalgesellschaften                  -0,7%

    Staat                                                                   +0,3%

    private Haushalte                                            +4,9%

    deutsche Sektoren                                            +7,6%

    Übrige Welt                                                       -7,6% 

    Gesamtsumme                                                   0%


Nach Abwicklung aller Zahlungen stellen diese Finanzierungssalden Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den einzelnen Sektoren dar, die im Jahr 2014 entstanden sind. In einer geschlossenen Volkswirtschaft stünden in der Endabrechnung Forderungen der Privaten Haushalte den Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaften und des Staates gegenüber. Der hohe deutsche Außenhandelsüberschuss von 7,6% des BIP überlagert 2014 diesen Zusammenhang: Dieser Verschuldungszunahme des Auslands stehen insb. Forderungszunahmen der Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften und der Privaten Haushalte gegenüber, während der deutsche Staatshaushalt 2014 einen kleinen Überschuss erwirtschaftet hat.


Die Finanzierungssalden verlassen den Produktionskreislauf und werden über den Kapitalmarkt den bestehenden Geldvermögen zugefügt. Zusammen mit den Wertveränderungen der Geldvermögen auf dem Kapitalmarkt aus 2014 (34) verändern sie die Nettogeldvermögen der Sektoren (35), die wir in den Tabellen Tab2.1n und Tab2.1q dargestellt haben. Auch diese Veränderungen sollen incl. der Übrigen Welt die Summe Null haben. Tatsächlich erscheint hier ein Gesamtsaldo von +17,9 Mrd. Euro bzw. von 0,6% des BIP für Währungsgoldzugänge der Bundesbank, die Sachvermögen darstellen. Die Änderungen des Nettogeldvermögens sind zusammen mit dem Zugang an Sachvermögens (36) Teil der Vermögensbildung des laufenden Jahres (37). Die gesamte Vermögensbildung Deutschlands betrug 2014 24,8% des BIP. Darin sind 9% Forderungszugang gegenüber der Übrigen Welt enthalten, die größtenteils aus dem Außenhandelsüberschuss von 7,6% resultieren.


Welche Gewinne in diesem Geldkreislauf enthalten sind, wird im nächsten Kapital dargestellt. Die Zusammenhänge im Produktionskreislauf werden in Kap.5.8 zusammengefasst, und in Kap.7.2 wird die Entwicklung der Geld- und Sachvermögen erörtert.


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