4.5. Beschäftigungsentwicklung (näheres Exkurs 4.1)
Der deutsche Arbeitsmarkt ist geprägt von einer starken Zunahme der Erwerbsquote (Erwerbspersonen in %der Bevölkerung):
1970 44,2%
1980 45,4%
1991 50,4%
2000 52,7%
2010 54,6%
2016 54,9%.
In Deutschland ist die Zahl der Arbeitslosen von 150 Tausend in 1970 auf 4,9 Millionen in 2005 gestiegen. Seitdem ist sie stetig gesunken auf 2,3 Millionen in 2018. Dahinter steht neben den Schwankungen des Wirtschaftswachstums das Wachstum des Arbeitnehmerpotentials: Arbeitnehmer + Arbeitslose. (Dia4.5.1 und Dia4.5.2).
Folgende Daten, die sich nur auf die 15-64jährigen beziehen, charakterisieren die Beschäftigungsentwicklung in Deutschland und in der EU28:
DE EU28
Erwerbspersonen in % der Bevölkerung
2002 71,7% 68,6%
2016 77,7% 72,9%
Arbeitslosenquote
2002 8,6% 8,7%
2016 4,1% 9,4%
Selbständige und Mithelfende in % der Bevölkerung
2002 6,9% 10,5%
2016 7,1% 10,0%
Arbeitnehmer in % der Bevölkerung
2002 58,5% 52,6%
2016 68,5% 56,7%
Ausländer in % der Erwerbspersonen
2002 8,9% 4,4%
2016 11,4% 8,2%
Ausländer in % der Arbeitslosen
2002 14,2% 6,3%
2016 23,8% 13,0%
Die hohe Arbeitslosigkeit in der EU ist eine Folge der Finanzkrise – siehe Dia4.5.3 (näheres Kap.7.6). In der EU28 hatte die Arbeitslosenquote 2016 noch um 1,4-Prozentpunkte über der von 2007 gelegen. Betroffen von dieser Zunahme der Arbeitslosigkeit waren 20 Mitgliedstaaten. Mehr als 2% Zunahme verzeichneten (%-Punkte):
Portugal +2,1
Luxemburg +2,1,
Frankreich +2,1,
Estland +2,2,
Dänemark +2,4,
Slowenien +3,1,
Irland +3,4,
Kroatien +3,5,
Lettland +3,5,
Litauen +3,6,
Italien +5,6,
Cypern +9,1,
Spanien +11,4,
Griechenland +15,2.
In einigen Mitgliedstaaten konzentriert sich der dieser Entwicklung zugrunde liegende Verlust von Arbeitsplätzen auf regionale Industriegebiete und könnte dort zu besonderen politischen Vertrauensverlusten geführt haben. Die Regionalstatistik von EUROSTAT weist für 2016 zahlreiche Regionen mit mehr als 20% Arbeitslosigkeit aus:
Von großer Bedeutung für die Beschäftigungsentwicklung ist die Entwicklung der Arbeitszeit. Hier spielt nicht nur die tarifliche Arbeitszeit eine Rolle, sondern auch die Zunahme der Teilzeitbeschäftigung. Aus ökonomischer Sicht ist weniger die Zahl der Arbeitnehmer (AN) als die Zahl der geleisteten Arbeitnehmerstunden (ANs) der angemessene Ausdruck der Beschäftigungs-entwicklung. Die Differenz beider ist die Zahl der Arbeitsstunden pro Arbeitnehmer (AZ). Hier die Entwicklung in Deutschland seit 1991 in % (Note4.5.1):
AN ANs AZ
1991-1997 -3,4% -8,0% -4,7%
1997-2000 +5,5 +1,9% -3,5%
2000-2005 -2,8 -5,4% -2,6%
2005-2008 +4,1% +5,4% +1,2%
2008-2016 +8,1% +4,7% -3,1%
1991-2016 +11,5% -2,1% -12,2%.
Der größte Teil der Beschäftigungsvermehrung ist der letzten 25 Jahre ist auf Arbeitszeitverkürzung zurückzuführen.
Die Tertiärisierung der Wirtschaft, die sich in Deutschland in den letzten Jahren verlangsamt hat, ist auch in der EU zu erkennen. Wir vergleichen die Entwicklung anhand der %-Anteile an der Bruttowertschöpfung (BWS) und an den Erwerbstätigenstunden (ETs):
BWS% ETs%
DE EU28 DE EU28
Landwirtschaft
2000 1,1% 2,1% 2,6% 8,0%
2016 0,6% 1,5% 1,7% 5,2%
Industrie und Bau
2000 30,9% 27,8% 30,0% 27,7%
2016 30,5% 24,7% 26,4% 23,3%
Handel, Verkehr und Gaststätten
2000 16,0% 19,3% 23,6% 24,7%
2016 16,0% 19,0% 22,4% 25,2%
übrige Dienstleistungen
2000 52,0% 50,8% 43,6% 39,6%
2016 52,9% 54,8% 49,5% 46,3%.
Die Tertiärisierung ist in Deutschland vor allem ein Phänomen der Verlagerung der Arbeitsplätze in die Dienstleistungsbereiche. Wahrscheinlich spielt dabei auch das Outsourcing vom Dienstleistungen eine Rolle: Das bedeutet, dass nun Dienstleistungsarbeitsplätze ausgewiesen werden, die bislang der Industrie zugeordnet waren.
Die politische Problematik des Wachstums wird deutlich, wenn man die mit dem Wachstum verbundene Produktivitätsentwicklung betrachtet. Produktivität ist das Verhältnis des Produktionsvolumens (preisbereinigt) zur eingesetzten Arbeit, hier in Arbeitnehmern gerechnet. Die Produktivitätsentwicklung ist Resultat des technischen und organisatorischen Fortschritts in der Produktion. Diese Produktivität pro Arbeitnehmer ist in Deutschland
Angenommen, es hätte nach 1970 kein Wachstum gegeben, und angenommen, die Arbeitsproduktivität hätte sich unverändert entwickelt, so wäre in Deutschland die Zahl der Arbeitnehmer
Ausreichendes Wirtschaftswachstum verhindert bei wachsender Produktivität das Schrumpfen der Beschäftigung und damit das ständige Anwachsen der Arbeitslosigkeit. Hierin legt die politische Bedeutung des Wachstums.