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5.2. Investitionen und Wachstum


In der Wirtschaftspolitik spielen die Investitionen und ihre Beeinflussbarkeit eine besondere Rolle. Diese (Brutto)Investitionen unterscheiden sich insbesondere nach ihren Bestimmungsfaktoren: wer sie verfügt und welchem wirtschaftlichen Zweck sie dienen.

  • Private Anlageinvestitionen ohne Wohnungsbau (2014 59% der Bruttoinvestitionen) werden verfügt von privaten Unternehmen.
  • Privater Wohnungsbau (2014 31%) wird verfügt von privaten Unternehmen oder Privaten Haushalten.
  • Staatliche Anlageinvestitionen (2014 11%) werden verfügt vom Staat. Ich fasse sie mit dem staatlichen Konsum zu Staatsausgaben zusammen. Diese werden gesondert behandelt (Kap.6).
  • Zugänge von Vorräten sind entweder unfreiwillig, oder sie werden als Teil der Produktionsdispositionen von den Unternehmen verfügt.


Die Entwicklungen dieser 4 Bereiche hängen von sehr verschiedenen Faktoren ab.



5.2.1 Befunde: Private Investitionen ohne Wohnungsbau

Die privaten Investitionen ohne Wohnungsbau (2014 12% des BIP) sind Aufwendungen der Unternehmungen für die Anschaffung von Sachanlagen. Sie repräsentieren das, was von der Theorie als Investitionen verstanden wird. Die herrschenden Lehrmeinungen betrachten diese Investitionen als zentrale Steuerungsgrößen der Konjunktur. Sie nehmen an,

  • dass die Entwicklung der Investitionen das Wirtschaftswachstum stark beeinflusst,
  • dass die Höhe der Investitionen negativ von den Kreditzinsen bestimmt wird: je niedriger der Zinssatz, desto größer die Investitionen,
  • und da die Kreditzinsen von den Zinssätzen der Zentralbank beeinflusst werden, wird vielfach angenommen, dass die Geldpolitik der Zentralbank über die Investitionen das Wachstum zu steuern vermöchte.


Dagegen fällt kritischen Beobachtern schon seit langer Zeit auf, dass die Entwicklung der Investitionen in erster Linie von der Entwicklung des Wirtschaftswachstums abhängt – siehe Dia5.2.1 (Note5.2.1). Und in Deutschland und in der EU ist zu beobachten, dass die Zinsen keinen bestimmenden Einfluss auf die Investitionen haben.


Dass die Entwicklung dieser Investitionen Wirkung und das Wirtschafts-wachstum Ursache sind, dafür sprechen folgende Beobachtungen:

  • Die privaten Investitionen ohne Wohnungsbau haben nur ein Volumen von knapp 14% des BIP.
  • Der um 1 Quartal vorlaufende Auftragseingang der gesamten gewerblichen Wirtschaft hat einen hoch signifikanten, dominanten Einfluss auf diese Investitionen (A.DE.4b.00-14) (Dia5.2.2).
  • Um die Einflüsse des Wachstums und der Zinsen auf die Veränderungen der Investitionen zu prüfen, testen wir
    • einerseits den Zusammenhang mit den Veränderungen der Letzten Verwendung des BIP (BIP ohne Abzug der Importe),
    • andererseits mit den Veränderungen des langfristigen Zinssatzes.


1. Deutschland 2000-2014, Quartalsdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr, preisbereinigt (A.DE.1.00-14)

Abhängig: private Bruttoanlageinvestitionen ohne Wohnungsbau

  • a) Die Letzte Verwendung des BIP, gekürzt um die zu prüfenden Investitionen, preisbereinigt, hat einen hoch signifikanten und hoch dominanten Einfluss auf diese privaten Bruttoanlageinvestitionen. Und zwar wachsen die Investitionen erst ab einem Wachstum der Letzten Verwendung von 2% und mit dem 1,6-fachen dieses Wachstums.


2. Deutschland 2000-2014, Quartalsdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr, preisbereinigt(A.DE.2a.00-14)

Abhängig: private Bruttoanlageinvestitionen ohne Wohnungsbau

  • a) Ein signifikanter, geringer negativer Einfluss des langfristigen Zinssatzes auf die privaten Bruttoanlageinvestitionen, verzögert um 8 Quartale, ist feststellbar.
  • b) Der Zusammenhang ist allerdings autokorreliert.


Wir prüfen beide Einflussgrößen in Konkurrenz zu einander:

3. Deutschland 2000-2014, Quartalsdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr, preisbereinigt (A.DE.3a.00-14)

Abhängig: private Bruttoanlageinvestitionen ohne Wohnungsbau

  • a) Die Letzte Verwendung des BIP, gekürzt um die zu prüfenden Investitionen, hat einen hoch signifikanten und dominanten Einfluss auf diese privaten Bruttoanlageinvestitionen,
  • b) während der konkurrierende Einfluss der langfristigen Zinsen, verzögert um 8 Quartale, signifikant aber schwach ist.


Oder mit preisbereinigten Zinsen:

4. Deutschland 2000-2014, Quartalsdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr (A.DE.3b.00-14)

Abhängig: private Bruttoanlageinvestitionen ohne Wohnungsbau, preisbereinigt,

  • a) Die Letzte Verwendung des BIP, preisbereinigt, gekürzt um die zu prüfenden Investitionen, hat einen hoch signifikanten und dominanten Einfluss auf diese privaten Bruttoanlageinvestitionen,
  • b) während der konkurrierende Einfluss der preisbereinigten langfristigen Zinsen, verzögert um 1 Quartal, schwach signifikant, aber gering ist.


5. Deutschland 1991-2014, Quartalsdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr, preisbereinigt (A.DE.8b.91-14)

Abhängig: private Bruttoanlageinvestitionen ohne Wohnungsbau

  • a) Die Letzte Verwendung des BIP, gekürzt um die zu prüfenden Investitionen, hat einen hoch signifikanten und dominanten Einfluss auf diese privaten Bruttoanlageinvestitionen,
  • b) während der konkurrierende Einfluss der langfristigen Zinsen, verzögert um 7 Quartale, signifikant aber schwach ist.
  • c) Die Verwendung der Realzinsen bringt in diesem Zusammenhang kein besseres Ergebnis.


Für die Zeit von 1970 bis 1991 zeigt sich ein etwas anderes Bild. Für diese Zeit lassen sich allerdings die Statistik-Daten der öffentlichen Investitionen nicht von den privaten separieren.


6. Deutschland 1970-91, Jahresdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr, preisbereinigt (A.DE.7a.70-91)

Abhängig: Bruttoanlageinvestitionen ohne Wohnungsbau

  • a) Der schwach signifikante Einfluss der Letzten Verwendung, gekürzt um die zu prüfenden Investitionen, war von mittlerer Stärke.
  • b) Der konkurrierende negative Einfluss der langfristigen Zinsen, verzögert um ein Jahr, war nicht signifikant.


Für die EU ergibt sich für die Zeit von 2000 bis 2014 ein ähnliches Bild wie für Deutschland, wobei die Daten von EUROSTAT keine Unterscheidung von öffentlichen und privaten Investitionen erlauben:

7. EU28 2000-2014, Quartalsdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr, preisbereinigt (A.EU.5.00-14)

Abhängig: Bruttoanlageinvestitionen ohne Wohnungsbau

  • a) Der hoch signifikante Einfluss der Letzten Verwendung, gekürzt um diese Investitionen, ist dominant.
  • b) Der konkurrierende negative Einfluss der langfristigen Zinsen, verzögert um 3 Quartale, ist nicht signifikant.


Die Verwendung preisbereinigter Zinsen ändert auch hier das Bild nicht:

8. EU28 2000-2014, Quartalsdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr, preisbereinigt (A.EU.5a.00-14)

Abhängig: Bruttoanlageinvestitionen ohne Wohnungsbau

  • a) Der hoch signifikante Einfluss der Letzten Verwendung, gekürzt um diese Investitionen, ist dominant.
  • b) Der konkurrierende negative Einfluss der preisbereinigte langfristigen Zinsen, verzögert um 3 Quartale, ist nicht signifikant.


Bemerkenswert sind die Befunde für die USA:

9. USA 1991-2014, Jahresdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr, preisbereinigt (A.US.4a.91-14)

Abhängig: private Bruttoanlageinvestitionen ohne Wohnungsbau

  • a) Die Letzte Verwendung des BIP, gekürzt um die Anlageinvestitionen, hat ganz ähnlich wie in Deutschland einen hoch signifikanten und dominanten Einfluss auf diese privaten Bruttoanlageinvestitionen.
  • b) Der konkurrierende negative Einfluss der langfristigen Zinsen, verzögert um 2 Jahre, ist nicht signifikant und schwach.


Hier liefert die Verwendung von Realzinsen allerdings ein verändertes Bild:

10. USA 1991-2014, Jahresdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr, preisbereinigt (A.US.4b.91-14)

Abhängig: private Bruttoanlageinvestitionen ohne Wohnungsbau

  • a) Die Letzte Verwendung des BIP, gekürzt um die Anlageinvestitionen, hat einen signifikanten und mittleren Einfluss auf diese privaten Bruttoanlageinvestitionen.
  • b) Der konkurrierende negative Einfluss der preisbereinigten langfristigen Zinsen ist signifikant und ebenso stark. In dieser Zeit sind die langfristigen Zinsen in den USA trendartig von 8% auf 2% gesunken.


In der Theorie kann es nur ausnahmsweise vorkommen, dass niedrige Zinsen keinen Einfluss auf die Investitionen haben. Unsere Befunde zeigen dagegen, dass die Änderungen der langfristigen Zinsen in Deutschland und in der EU seit Jahrzehnten keinen relevanten Einfluss auf die Anlageinvestitionen der privaten Unternehmen gehabt haben.


Unsere empirischen Beobachtungen liefern folgenden Befund:

  • Im Widerspruch zur klassischen Theorie hängt in Deutschland und in der EU die Entwicklung der privaten Investitionen in hohem Maße positiv von der übrigen Konjunkturentwicklung ab - privater Konsum, Staat, Wohnungsbau und Export. Diese Investitionen haben keinen bestimmenden Einfluss auf das Wirtschaftswachstum, sondern verstärken dessen Boomphasen wie dessen Abschwungsphasen.
  • Die Entwicklung der langfristigen Zinsen hat in Deutschland und in der EU nur einen schwachen negativen Einfluss auf die Entwicklung der Investitionen.
  • In den USA teilen sich das Wirtschaftswachstum und die Realzinsen den Einfluss auf die privaten Investitionen.
  • Das Wirtschaftsmodell der klassischen Theorie unterstellt einen bestimmenden negativen Einfluss der Zinsen auf die Investitionen: sinkende Zinsen mobilisieren die Investitionen und induzieren so ein steigendes Wachstum. Ohne negativen Zusammenhang von Investitionen und Zinsen fehlt dem klassischen Wachstumsmodell der Regulator, der mittelfristig eine schwache Konjunktur ankurbeln und das Marktgleichgewicht gewährleisten soll.
  • Dieses klassische Modell entspricht nicht der Realität.



5.2.2. Befunde: Privater Wohnungsbau

Der private Wohnungsbau mit 6% des deutschen BIP unterliegt ganz anderen Einflüssen als die übrigen privaten Anlageinvestitionen. In Deutschland werden 45% der Wohnungen von den Eigentümern bewohnt, mit steigender Tendenz. In der EU mit einer Eigentumsquote von 70% ist Deutschland Schlusslicht. Aber beim privaten Wohnungsbau in Deutschland waren 2015 80% aller Bauherren private Haushalte.


Eine besondere Rolle spielt der Wohnungsbau bei den Krediten. Zwar sind die Angaben der Bundesbank über die Wohnungsbaukredite fragwürdig, weil Banken insb. Hypothekarkredite nicht selten als Wohnungsbaukredite ausweisen, obwohl sie für andere private Zwecke verwendet werden. Aber wenn wir diese Angaben im großen Ganzen als Wohnungsbaukredite nehmen, dann zeigt sich für 2015 in Deutschland folgendes Bild: Wohnungsbaukredite waren

  • a) 38% aller Kredite an Nichtbanken,
  • b) 25% aller Kredite an Unternehmen und Selbständige, und
  • c) 80% aller Kredite an Unselbständige.


Um die Einflüsse auf den privaten Wohnungsbau zu bestimmen, testen wir folgende Einflüsse:

  • Letzte Verwendung (BIP ohne Abzug der Importe),
  • Hypothekenzinsen,
  • Mieten und
  • Bevölkerungsentwicklung.


1. Deutschland 2000-2014, Quartalsdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr, preisbereinigt (Ab.DE.1.00-14)

Abhängig: privater Wohnungsbau

  • a) Die Letzte Verwendung des BIP, gekürzt um die zu prüfenden Investitionen, hat einen signifikanten, aber geringen Einfluss auf den privaten Wohnungsbau.


2. Deutschland 2000-2014, Quartalsdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr, preisbereinigt (Ab.DE.2.03-14)

Abhängig: privater Wohnungsbau

  • a) Die Effektivzinssätze für Wohnungsbaukredite haben einen signifikanten, mittleren negativen Einfluss auf den privaten Wohnungsbau.


3. Deutschland 2000-2014, Quartalsdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr, preisbereinigt (Ab.DE.5.00-14)

Abhängig: privater Wohnungsbau

  • a) Die Wohnungsmieten haben keinen signifikanten Einfluss auf den privaten Wohnungsbau.


4. Deutschland 1991-2014, Jahresdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr, preisbereinigt (Ab.DE.4.92-14)

Abhängig: privater Wohnungsbau

  • a) Die Entwicklung der Bevölkerung hat einen signifikanten und mittleren Einfluss auf diese privaten Bruttoanlageinvestitionen.


Unsere Tests liefern am Beispiel Deutschlands folgende Befunde:

  • Es gibt in Bezug auf den privaten Wohnungsbau mehrere heterogene Einflussfaktoren.
  • Von mittlerer Stärke sind die Wirkungen der Bevölkerungsentwicklung und – negativ – der Hypothekenzinsen.
  • Der Einfluss des übrigen Wirtschaftsentwicklung ist gering,
  • und der geringe Einfluss der die Mieten ist nicht signifikant.
  • Gegenüber den konjunkturellen Zusammenhängen ist der Einfluss des privaten Wohnungsbaus exogen.



5.2.3 Befunde: Zugang zu Vorräten

Die Differenz zwischen produziertem und verkauftem BIP definiert das Statistische Bundesamt als – positiven oder negativen – Zugang zu den Vorräten, auch Vorratsveränderungen genannt. Über den Bestand an Vorräten, auch Lager genannt, veröffentlicht es keine Daten.


Diese Differenz zwischen produziertem und verkauftem BIP deutet daraufhin, dass die Vorratsveränderungen ein Ausdruck der Konjunkturentwicklung sind. Aber so einfach ist das nicht, wie folgende Überlegung erkennen lässt:

  • Wenn im Aufschwung die Vorräte abgebaut werden oder im Abschwung zunehmen, dann erscheint dies als normaler konjunktureller Effekt. Das würde bedeuten, dass die Vorratsveränderungen gegenläufig zum Wirtschaftswachstum variieren - negative Korrelation.
  • Wenn dagegen im Aufschwung die Vorräte zunehmen oder im Abschwung abnehmen, dann würde das bedeuten, dass die Lagerbestände planvoll an die Wirtschaftsentwicklung angepasst werden - positive Korrelation.


Die Entwicklung der Lagerhaltung wird aber auch von strukturellen Änderungen beeinflusst - Lieferung just in time, Zerlegung der Produktion. Diese längerfristigen Änderungen überlagern die konjunkturellen Zusammenhänge als Trends. Um die tatsächlichen konjunkturellen Zusammenhänge zu erfassen, unterziehen wir unsere Testvariablen einer Trendbereinigung (Note5.2.2).


1. Deutschland 2000-2014, Quartaldaten, trendbereinigt (Ac.DE.1.00-14)

Abhängig: Vorratsveränderungen, saisonbereinigt, %-Differenz zum Trend

  • a) Das Bruttoinlandsprodukt, saisonbereinigt, %-Differenz zum Trend, hat einen schwach signifikanten, geringen positiven Einfluss auf die Vorratsveränderungen.


Der Befund lautet:

  • Die Entwicklung des BIP beeinflusst positiv die Entwicklung der Vorräte.
  • Deren Entwicklung ist überwiegend Teil der von den Unternehmungen geplanten Entwicklung der Produktion.
  • Negative Konjunktureinflüsse sind nicht erkennbar.


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