5.4. Import und Export
Die gängigen Vorstellungen sehen Import und Export im Zusammenhang mit den internationalen Preisverhältnissen, wobei den Lohnkosten eine bestimmende Rolle zugewiesen wird. Übersehen wird dagegen in der Regel der Zusammenhang zwischen den Entwicklungen von Binnenkaufkraft und Außenhandel.
5.4.1. Befunde: Import
Wir beobachten einen sehr engen Zusammenhang von nationalem Wachstum und Entwicklung der Importe. Die Kausalität dieses Zusammenhangs ist offenkundig. Ähnlich der Konsumfunktion zeigt sich der empirischen Beobachtung eine Importfunktion, die eine starke Abhängigkeit der Importentwicklung von der nationalen Kaufkraftentwicklung ausdrückt. Dia5.4.1 und Dia5.4.2 veranschaulichen diese engen Zusammenhänge.
Wir testen diesen Zusammenhang für Deutschland, die EU und die USA. Da heute in der EU ein relevanter Anteil des Imports in den Export geht, betrachten wir den Import in Abhängigkeit von der Letzten Verwendung des BIP = Binnennachfrage + Export. Die Befunde lauten:
1. Abhängig: Importe
unabhängig: Letzte Verwendung des BIP
beide zu laufenden Preisen, Veränderungen gegenüber Vorjahr
Diese Importfunktion drückt den bestimmenden Einfluss der Nachfrage auf die Importe aus, sofern nicht staatliche Regulierungen des Außenhandels einwirken, wie im Fall der USA 1970-90. In Deutschland und in der EU sorgt der europäische Binnenmarkt für den freien Einfluss der Importnachfrage und damit für einen hoch dominanten Einfluss der Letzten Verwendung des Importlandes auf die Importe.
5.4.2 Befunde: Export
Nun sind Exporte in ihren Empfängerländern Importe. Deshalb ist zu erwarten, dass die Exporte eines Landes von der Wirtschaftsentwicklung des Empfängerlandes abhängen – also von dessen Nachfrage. Konkret wird dies im Europäischen Binnenmarkt, in den knapp 60% der deutschen Exporte gehen – siehe Dia5.4.3. Wir prüfen deshalb, welchen Einfluss die Binnennachfrage (BIP minus Außensaldo) der übrigen EU-Staaten auf die deutschen Exporte hat. Der Befund lautet:
2. Deutschland 2000-14: Quartalsdaten, zu laufenden Preisen, Veränderungen gegenüber Vorjahr (D.DE.2.00-14)
Abhängig: deutsche Exporte in die EU
Dem gegenüber prüfen wir Einfluss der relativen Lohnstückkosten:
3. Deutschland, 2000-14: Quartalsdaten, zu laufenden Preisen, Veränderungen gegenüber Vorjahr in % (D.DE.3.00-14)
Abhängig: deutsche Exporte in die EU,
In Konkurrenz zwischen Binnennachfrage der EU und der Relation der Lohnstückkosten ergibt sich:
4. Deutschland, 2000-14: Quartalsdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr in % (D.DE.4.00-14)
Abhängig: deutsche Exporte in die EU, zu laufenden Preisen, Veränderungen gegenüber Vorjahr in %
Der Einfluss der Binnennachfrage in den Partnerländern auf die deutschen Exporte ist dominant, während der Einfluss der Lohnkostenrelation gering ist.
Für die EU verfügen wir in diesem Zusammenhang nur über Exportdaten des Warenhandels, also ohne Dienstleistungsverkehr. Wir prüfen für die einzelnen EU-Staaten die konkurrierenden Einflüsse ihrer Letzten Verwendung und der Relation der nationalen Lohnstückkosten im Verhältnis zu den durchschnittlichen Lohnstückkosten der EU28.
5. EU28 2000-14: Quartalsdaten, Veränderungen gegenüber Vorjahr
Abhängig: nationale Warenexporte in die EU28, zu laufenden Preisen
◦ Staaten 28
◦ no data 3
◦ getestet 25
dLVn dRLn
Signifikanz
◦ hoch signifikant 22 1
◦ signifikant 2 2
◦ schwach signifikant 0 3
◦ nicht signifikant 1 17
Beta
◦ hoch dominant 11 0
◦ dominant 10 0
◦ mittel 3 0
◦ gering 1 3
◦ ohne Einfluss 0 22
Insgesamt ist der Einfluss der Nachfrage in den übrigen Mitgliedstaaten auf die nationalen Exporte hoch signifikant und dominant, während der Einfluss der nationalen EU-Lohnkostenrelation marginal ist.
Welche Rolle spielt in diesen Zusammenhängen die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands? – Die qualitative Wettbewerbsfähigkeit lässt sich nicht messen. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass nationale Produkte im Ausland überhaupt gekauft werden. Nur wenn sie sich verändern würde, wären Veränderungen des Außenbeitrags zu erwarten. Solche Veränderungen könnten sich aber nur langfristig bemerkbar machen. Auf die kurzfristigen Schwankungen des Außenbeitrags, die wir hier beobachtet haben, können sie keinen Einfluss haben.
Die Bundesbank veröffentlicht monatliche Zeitreihen von Indices der preislichen Wettbewerbsfähigkeit Deutschland. Außerhalb des EURO-Raumes dominieren dabei die Entwicklungen der Wechselkurse. Diese entfallen in der EWU, sodaß die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere von den Preisverhältnissen geprägt wird.
Die Zeitreihe für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der EWU stellt sich, wie zu erwarten, als nahezu linearen Trend dar, der nicht geeignet ist, die schwankende Entwicklung der deutschen Exporte zu erklären. Um die Entwicklung der deutschen Exporte mit diesem Trend der preislichen Wettbewerbsfähigkeit zu vergleichen, glätten wir sie mit einem HP-Filter (Note5.4.1). Wie Dia5.4.4 jedoch zeigt, ist diese preisliche Wettbewerbsfähigkeit nicht in der Lage, zur Erklärung der Entwicklung der deutschen Exporte beizutragen:
Zusammenfassung:
5.4.3. Befunde: Außensaldo
Eine Frage schließt sich an: Wo stehen in diesen Zusammenhängen die Außenhandelsüberschüsse? – Der Außenhandelssaldo ist die Differenz aus dem Export minus dem Import. Für den Handel Deutschlands mit der EU gilt:
Daraus ist zu schließen: der deutsche Exportüberschuss wächst, wenn sich die deutsche Nachfrage schwächer entwickelt als die europäische.
Ein einfacher Test bestätigt diese Schlussfolgerung:
6. Deutschland 2000-2014: Quartalsdaten zu laufenden Preisen (D.DE.7.00-14)
Abhängig: Relation Export:Import mit der EU-28
Diesem Befund entsprechen die Beobachtungen der Entwicklungen des deutschen Handelssaldos – siehe Dia5.4.5. Die deutschen Handelsüberschüsse gegenüber den EU-Staaten sind zwischen 2000 und 2008 von 3% auf 7% des BIP angewachsen. In dieser Zeit ist die Letzte Verwendung in der EU ohne Deutschland um 51% gewachsen, in Deutschland dagegen nur um 31%. Danach hat sich das Wachstum in der EU insgesamt abgeschwächt, und in den EU-Staaten ohne Deutschland lag es deutlich unter dem Deutschlands. Das deutsche Handelssaldo gegenüber den EU-Staaten ist dementsprechend zwischen 2008 und 2014 von 7% auf 4% des BIP gesunken.
Zusammenfassung: