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5.5. Inflation


Inflation ist politisch unerwünscht. Das deutsche Stabilitäts- und Wachstumsgesetz nennt als eines der vier Ziele der wirtschaftlichen Entwicklung der Stabilität des Preisniveaus, und auch der EU-Vertrag nennt in Art. 3 das Ziel der Preisstabilität.


Als Inflation bezeichnen wir die durchschnittliche Entwicklung der Verbraucherpreise, also die Teuerungsrate des privaten Verbrauchs. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex wurde in der EU entwickelt, um Preisänderungen international zu vergleichen und um sie zu einer Gesamtinflationsrate für die EU und die europäischen Währungsunion zusammenfassen zu können. Nationale Harmonisierte Verbraucherpreisindizes werden für alle Mitgliedstaaten berechnet. Sie werden bereits in der Mitte des Folgemonats veröffentlicht.


Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex dient vor allem der Europäischen Zentralbank als zentraler Indikator zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Preisstabilität innerhalb der Eurozone. Andere Preisindices berechnen die Statistischen Ämter, um das reale Wirtschaftswachstum, bereinigt um die Preissteigungen, zu bestimmen.


Inflation gibt es, seitdem es Warenhandel gibt. Sie war immer Gegenstand öffentlicher Beobachtungen. Über die Inflationsursachen gab und gibt es vielfältige Theorien. Und tatsächlich gibt es sehr unterschiedliche Faktoren, die in wechselndem Maße die Inflation beeinflussen. Im Vordergrund steht aber das Wirtschaftswachstum, das die Inflationsrate dauerhaft beeinflusst. Der Grundgedanke der Theorie lautet:

  • Je rascher die Produktion wächst, desto eher stoßen Unternehmen an die Grenze ihrer Kapazität.
  • Und je höher die Produktionskapazität durch Aufträge ausgelastet ist, desto eher erhöhen die Unternehmungen ihre Preise.

Leider gibt es keine Statistik, die dieses Produktionspotential der Gesamtwirtschaft misst. Es kann nur geschätzt werden, und das nur mit einer Zeitverzögerung von 2 bis 3 Jahren.


Es gibt vielfältige politische Interessen, die kommende oder die zu erwartende Inflationsrate möglichst frühzeitig abschätzen zu können. Dafür eignen sich die Expost-Schätzungen der Auslastung des Produktionspotentials grundsätzlich nicht. Beobachtbar ist jedoch ein ständiger und relativ stabiler Zusammenhang zwischen Inflationsentwicklung und dem vorhergegangenem Wirtschafts-wachstum, der die künftige Inflationsentwicklung besser abschätzbar macht: Je stärker das zurückliegende Wachstum, desto stärker die aktuelle Inflation.


5.5.1. Befunde: Inflation

Wir schätzen den Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftswachstum und der Inflationsentwicklung. Das beste Ergebnis erhalten wir, wenn wir das durchschnittliche Wachstum der letzten Verwendung aus drei vorangegangenen Jahren als unabhängige Bestimmungsgröße verwenden. Das sagt aus, wie weit die Ursachen der Inflation in die Vergangenheit zurückreichen.


1. Deutschland 2000-14: Quartalsdaten (E.DE.1.00-14)

Abhängig: harmonisierter Verbraucherpreis-Index, Veränderungen gegenüber Vorjahr

  • a) Die Letzte Verwendung zu laufenden Preisen, durchschnittliche Veränderung in den 3 vorangegangenen Jahren, hat einen hoch signifikanten, mittleren Einfluss auf die Inflation.


Die folgenden Tests beruhen auf Jahresdaten, die im Verhältnis zu Quartalsdaten höhere Korrelationskoeffizienten aufweisen.


2. Deutschland 1991-14: Jahresdaten (E.DE.3.91-14)

Abhängig: Harmonisierter Verbraucherpreis-Index, Veränderungen gegenüber Vorjahr

  • a) Die Letzte Verwendung zu laufenden Preisen, durchschnittliche Veränderung in den 3 vorangegangenen Jahren, hat einen signifikanten, dominanten Einfluss auf die Inflation.


Das galt auch vor 1991:

3. Deutschland 1970-91: Jahresdaten (E.DE.2.70-91)

Abhängig: Verbraucherpreis-Index, Veränderungen gegenüber Vorjahr

  • a) Die Letzte Verwendung zu laufenden Preisen, durchschnittliche Veränderung in den 3 vorangegangenen Jahren, hat einen signifikanten, mittleren Einfluss auf die Inflation.


Die Mitgliedstaaten der EU28:

4. EU28 2000-14: Jahresdaten

Abhängig: Harmonisierter Verbraucherpreis-Index, Veränderungen gegenüber Vorjahr

a) Die Letzte Verwendung zu laufenden Preisen, durchschnittliche Veränderung in den 3 vorangegangenen Jahre, summarischer Befund:

  • Staaten        28
  • no data          1
  • getestet        27

Signifikanz

  hoch signifikant                13

  signifikant                            7

  schwach signifikant            2

  nicht signifikant                  5, davon 4 mit eigener Währung

Beta

mittlerer Einfluss                13

geringer Einfluss                   9

kein Einfluss                          5


Die USA bieten ein ähnliches Bild:

5. USA 1990-2014: Jahresdaten (E.US.2.90-14)

Abhängig: Verbraucherpreis-Index, Veränderungen gegenüber Vorjahr

  • a) Die Letzte Verwendung zu laufenden Preisen, durchschnittliche Veränderung in den 3 vorangegangenen Jahren, hat einen signifikanten, mittleren Einfluss auf die Inflation.

6. USA 1970-90: Jahresdaten (E.US.1.70-90)

Abhängig: Verbraucherpreis-Index, Veränderungen gegenüber Vorjahr

  • a) Die Letzte Verwendung zu laufenden Preisen, durchschnittliche Veränderung in den 3 vorangegangenen Jahren, hatte einen signifikanten, dominanten Einfluss auf die Inflation.


Die Inflation ist also ein zäher Prozess, dessen bestimmende Wurzeln mehrere Jahre zurückreichen.

  • Die Inflation wird stark vom zurückliegenden Wirtschaftswachstum beeinflusst. Die durchschnittliche Veränderung der letzten Verwendung des BIP in den vergangenen 3 Jahren, zu laufenden Preisen, hat einen signifikanten, mittleren Einfluss auf die Inflationsrate.
  • Für alle Test der Zeit nach 1991 gilt: auch beim Null-Wachstum existiert eine positive Inflationsrate.
  • Es zeigt sich, dass die Inflationsrate schwächer wächst als die Letzte Verwendung. Das bedeutet, dass auch ein hohes Nominalwachstum nur zum Teil von der Inflation aufgefressen wird.
  • Der festgestellte Zusammenhang besagt auch: Wenn die Zentralbank der Inflationsrate eine bestimmte Grenze setzt, setzt sie damit auch dem Wachstum von Wirtschaft und Beschäftigung eine Grenze.
  • Der hier gemessene Zusammenhang gilt sicherlich nicht für ungewöhnlich hohe Inflationsraten. In solchen Zeiten und gar bei galoppierender Inflation würde sich die Inflationsrate der nominalen Wachstumsrate annähern.


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