5.9. Die dominante Rolle der Unternehmung im produktiven Geldkreislauf
Wer sind die bestimmenden Subjekte dieser Wachstumszusammenhänge? Wer bestimmt das Wachstum? – Es sind vor allem die Unternehmen, und daneben Staat, Wohnungsbauherren und „Ausland“, wobei im „Ausland“ wiederum Unternehmen, Staat und Wohnungsbauherren die bestimmenden Subjekte des Wachstums sind, von dem die Importe anhängen.
Die privaten Unternehmungen bestimmen ihre laufende Produktion einschließlich der eingesetzten Arbeitnehmer und Arbeitsstunden. Damit verbunden sind Zahlungen als Beiträge zum laufenden BIP:
Insgesamt bestimmen die Unternehmungen mit ihren Entscheidungen den größten Teil der Produktion des BIP. Mit der Erhöhung ihrer Ausgaben bestimmen sie den größten Teil des Wirtschaftswachstums.
Die Frage, wovon die Wirtschaftsentwicklung eines Landes abhängt, führt deshalb zuerst zu der Frage: Woran orientieren sich die Unternehmungen bei ihren Produktionsentscheidungen? Als ihre Ziele unterstellen wir: langfristige Stabilität der Unternehmung und Gewinnmaximierung. Um diese Ziele zu erreichen, orientieren sie sich an der Entwicklung von wirtschaftlichen Beobachtungen.
In ihren Produktionsentscheidungen sind die Unternehmungen weitgehend autonom. Dh. ihre Entscheidungen sind unabhängig. Aber es gibt erkennbare Einflüsse auf ihre Entscheidungen.
Wir fragen, woran sich die Unternehmungen bei diesen Entscheidungen orientieren. Wir prüfen den Einfluss von drei beobachtbaren Größen, deren Entwicklung die Entscheidungen der Unternehmen beeinflussen:
Den Einfluss der Zinsen messen wir an dem Einfluss der Entwicklung der Anleihezinsen auf das Wirtschaftswachstum. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass diese Zinsen selbst vom Wirtschaftswachstum beeinflusst werden. Wir unterscheiden deshalb den Einfluss des Wachstums auf den Zinssatz und die nachlaufende Abhängigkeit des Wachstums vom Zinssatz.
1. Deutschland 2000-2014: Quartalsdaten (Z.DE.2.00-14)
Unabhängig und abhängig: BIP, preisbereinigt, Veränderungen in % des Vorjahres, Anleiherenditen in %, Differenz zum Vorjahr
In der EU war der Einfluss der Zinsen auf das Wachstum etwas größer.
2. EU28 2000-2014: Quartalsdaten (Z.EU.1.00-14)
Unabhängig und abhängig: BIP, preisbereinigt, Veränderungen in % des Vorjahres, Anleiherenditen in %, Differenz zum Vorjahr
Seit 2003 veröffentlicht die Bundesbank monatlich differenzierte Angaben über Kreditzinsen in Deutschland:
3. Deutschland 2003 bis 2014: Quartalsdaten (Dia5.8.2)
Unabhängig und abhängig: BIP, preisbereinigt, Veränderungen in % des Vorjahres, Effektivzinssätze für Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften in %, Differenz zum Vorjahr
Wir stellen fest:
Wir können davon ausgehen, dass die Unternehmungen bei ihren Produktionsentscheidungen die Zinsentwicklung im Auge behalten, zumal die EZB bei ernsthaften Inflationssorgen die Zinsen spürbar in die Höhe treiben könnte (Kap.7.9.2). Wichtiger sind jedoch ihre Einschätzungen der wirtschaftlichen Lage, die auf ihren aktuellen Informationen beruhen. Aufgrund dieser Informationen beantworten sie zwei zentrale Fragen:
Vor allem beobachtet die einzelne Unternehmung die Produktionsentwicklung der übrigen Unternehmungen. Ein signifikanter Indikator dafür sind die Auftragseingänge der Industrie, die das Wirtschaftswachstum mit einem Vorlauf von einem Monaten abbilden. Ihre Gewinne kennen die Unternehmungen dagegen nur ex post. Als Indikator dafür nehmen wir die Entwicklung der Bruttoresidualeinkommen. Wir testen den Einfluss dieser beiden Indikatoren auf das Wirtschaftswachstum, das wir als Resultat der Produktionsentscheidungen der Unternehmungen betrachten.
Wir testen den Einfluss des vorlaufenden Auftragseinganges in Konkurrenz mit dem Einfluss des Bruttoresidualeinkommens auf das Wirtschaftswachstum:
4. Deutschland 2000-2014: Quartalsdaten, Veränderungen in % des Vorjahres (H.DE.5.00-14)
Abhängig: BIP, nominal
Sowohl die allgemeine Nachfrageentwicklung als auch die Entwicklung der Bruttoresidualeinkommen beeinflussen also in signifikanter Weise die Produktionsentscheidungen der Unternehmungen. Der Einfluss der Auftragseingänge ist aber deutlich stärker als der Einfluss der Bruttoresidualeinkommen.
Einschränkend müssen wir hinzufügen: Zum Zeitpunkt der Produktionsentscheidung kennen die Unternehmen ihre aktuelle Gewinnentwicklung nicht. Sie müssen sie schätzen.
Insgesamt stellen wir fest:
Die Logik dieser Befunde ist: Die aus der Gesamtheit der Unternehmensentscheidungen resultierende Konjunktur beeinflusst wesentlich die Produktionsentscheidungen der einzelnen Unternehmen. Dieser logische Zirkel charakterisiert die prinzipielle Unbestimmtheit der Marktwirtschaft. Unsere Beobachtungen weisen darauf hin, dass die Konjunkturschwankungen ein Ausdruck schwankender Beteiligung der Arbeitnehmerentgelte am Produktionsertrag sind (Kap.5.7). Es handelt sich bei den Konjunkturschwankungen um schwankende Ungleichgewichte, denen gegenüber die Politik ein Gleichgewichtsziel formuliert hat: stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum.
Diese Überlegung führt zu folgender pragmatischer Schlussfolgerung: