Kap. 6. Staatshaushalt, Wachstum und Beschäftigung
6.1. Der Staatshaushalt (vgl. auch Exkurs6.2: Die föderale Finanzverfassung Deutschlands)
Der Staatshaushalt bildet ein mächtiges Kanalsystem im Geldkreislauf der Wirtschaft, reguliert durch vielfältige staatliche Ordnungen und kontrolliert durch ein Heer von Bediensteten. Geld im Umfang von fast einem halben BIP fließt jedes Jahr durch diese Kanäle und Abzweigungen. Am Ende sind die Einkommen der Privaten erheblich umverteilt.
Wir betrachten die Wirkungen des Staatshaushalts auf Wachstum und Beschäftigung als unabhängig vom übrigen Wirtschaftskreislauf, als von außen kommend (exogen). Zwar haben die wirtschaftlichen Entwicklungen ihrerseits Einfluss auf die Steuer- und Sozialeinnahmen, und die Steuereinnahmen haben im kommunalen Bereich Einfluss auf die investiven Ausgaben. Aber am Ende werden die staatlichenWirtschaftspläne im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben beschlossen, mit den genehmigten Ausgaben und den geschätzten Einnahmen, wobei die konjunkturellen Einflüsse als Erwartungen berücksichtigt werden. Diese Haushaltsbeschlüsse sind prinzipiell autonom.
Tabelle 3.1q zeigt in der Spalte „Staat“ die Beteiligung des deutschen Staates am Geldkreislauf der Produktion. Bereits an den Käufen von Vorprodukten ist der Staat beteiligt. Vor allem zahlt er Arbeitnehmerentgelte Deutschland 2014 7,6% des BIP bzw. 17,5% aller Arbeitnehmerentgelte. Sodann verteuert der deutsche Staat die Preise des BIP durch indirekte Steuern. Und schließlich verteilt er das BIP um:
Nach einigen weiteren Übertragungen verfügt der Staat über einen BIP-Anteil von 21,5%. Davon bezahlt er den Staatskonsum von 19,2%, in dem die Arbeitnehmerentgelte, als öffentliche Dienstleistungen interpretiert, enthalten sind, sowie die staatlichen Bruttoanlageinvestitionen in Höhe von 2,1%. Nach einer kleinen Korrektur verbleibt der Finanzierungssaldo des Staates von plus 0,3% des BIP: der Haushaltsüberschuss Deutschlands im Jahre 2014. Gemäß den Maastricht-Definitionen von EUROSTAT waren es plus 0,5% (Note6.1.1).
2014 bestanden die Einnahmen des deutschen Gesamtstaates aus (in %):
Steuern und Abgaben 63,1%,
Beiträgen zur Sozialversicherung 36,9%.
Von den Steuereinnahmen entfielen auf (in %) – siehe auch Dia6.1.1:
Umsatz- und Konsumsteuern 37,1%
Lohn und Einkommenssteuern 39,4%
Vermögenssteuern 3,4%
Unternehmenssteuern 9,9%
übrige Steuern 10,2%.
Ein Vergleich der Staatshaushalte 2014 von Deutschland und der Gesamtheit der EU-Staaten, der die Sozialausgaben einbezieht, zeigt folgende Übersicht (in % des BIP):
DE EU28
Staatseinnahmen 44,6% 45,0%
Staatsausgaben 44,1% 48,0%
Haushaltssaldo +0,5% -2,9%
Zinsausgaben 1,5% 2,5%
Primärsaldo ohne Zinsausgaben +2,0% -0,4%.
Deutschland baute Schulden ab – erstmalig seit Gründung der Bundesrepublik. Es verzeichnete einen Haushaltsüberschuss von 0,5% des BIP, während die EU-Staaten im Durchschnitt ein Defizit von knapp unter der Maastricht-Grenze aufwiesen. Die Zinslast in % der Staatseinnahmen betrug in Deutschland 3,5%, in der EU 5,2%. Daran sind die laufenden Lasten aus früherer Kreditaufnahme für die Staatshaushalte ablesbar.
Eine Aufgliederung der deutschen Staatsausgaben nach Aufgabenbereichen zeigt Dia6.1.2. Die Staatsausgaben Deutschlands und der EU-Staaten verteilten sich 2014 auf die Ausgabenbereiche wie folgt (in % BIP):
DE EU28
Allgemeine öffentliche Verwaltung 6,4% 6,7%
Verteidigung 1,0% 1,3%
Öffentliche Ordnung und Sicherheit 1,6% 1,7%
Wirtschaftliche Angelegenheiten 3,1% 4,3%
Umweltschutz 0,6% 0,8%
Wohnungswesen und kommunale Einrichtungen 0,4% 0,7%
Gesundheitswesen 7,1% 7,2%
Freizeitgestaltung, Kultur und Religion 1,0% 1,1%
Bildungswesen 4,2% 4,9%
Soziale Sicherung 18,8% 19,3%.