Kap. 7. Geld- und Kapitalmarkt
7.1. Sparen und investieren – und leihen
Sparen und Investieren wird über den Kapitalmarkt vermittelt. Die Banken sammeln die Ersparnisse und leiten sie an Kreditnehmer weiter. Die Finanzierungssalden am Ende des Produktionskreislaufes, deren Summe Null ist, werden hier ausgeglichen. Wir haben deren Zustandekommen in Kap. 3 in Tabelle3.1q Zeile 33 beobachtet.
Bei der Verwendung des Sozialprodukts durch dessen Käufer unterscheidet die VGR grundsätzlich zwischen zwei Verwendungsarten: Konsum und Investitionen. Dies ist eine fundamentale Definition der kapitalistischen Wirtschaft: Alle Produkte, die für mehrjährigen Einsatz in der Produktion vorgesehen sind, sind Investitionen und werden dem Sachkapital zugefügt, das zur künftigen Wertschöpfung beiträgt. Alle übrigen verkauften Produkte werden dem Konsum zugerechnet und gelten in der VGR am Ende der Periode als „verbraucht“.
Die Aufwendungen für langlebige Produktionsmittel sind die Bruttoanlageinvestitionen. Der Großteil der Bruttoanlageinvestitionen der Unternehmen wird durch die Abschreibungen finanziert. Abschreibungen sind der Teil ihrer Erlöse, der als Verbrauch an Produktionsmitteln in der laufenden Produktion verbucht wird. Nettoanlageinvestitionen - Bruttoanlageinvestitionen minus Abschreibungen - sind der Teil der Investitionsausgaben, der der Werterhöhung des Anlagevermögens zugeschrieben wird.
Bruttoinvestitionen sind:
Als Ersparnis wird der Teil des verfügbaren Einkommens definiert, der nicht konsumiert wird. Die Gesamtersparnis ist negativ, wenn mehr konsumiert als eingenommen wird. Positive oder negative Ersparnisse verzeichnen:
Die Finanzierungssalden sind die Differenzen zwischen Einnahmen und Ausgaben. Im normalen Haushalt, der nur konsumiert, sind die Ersparnisse gleich dem Finanzierungssaldo. Bei Unternehmen ist der Finanzierungssaldo die Differenz zwischen Ersparnis (= nicht ausgeschütteter Gewinn) und den Nettoinvestitionen. Die Finanzierungssalden sind zugleich die Differenz von Ersparnissen und Investitionen.
Normalerweise haben Unternehmen einen negativen Finanzierungssaldo. Damit haben sie kein Problem, wenn ihre Umsätze plangerecht verlaufen. Mit Blick auf ihre Nachfrageentwicklung kaufen sie Investitionsgüter. Wenn ihre eigenen Mittel nicht ausreichen, dann nehmen sie Kredite oder Fremdkapital auf: ihr Geldvermögen nimmt ab, ihr Sachvermögen nimmt zu. In einem ökonomischen System, in dem die privaten Investitionen weitgehend von den Ersparnissen der privaten Haushalte finanziert werden, haben die privaten Unternehmen wachsende Geldschulden, denen in der Vermögensrechnung der Wert ihrer Sachanlagen gegengerechnet wird.
Sparen ist gleich Investieren, genauer: Gesamtersparnis = Nettoinvestitionen Diese Gleichung der VGR ist eine Definitionsgleichung, die immer erfüllt ist! Dahinter steht die Definition: Ersparnis ist Einkommen minus Konsum. Wenn wir zunächst vom Außenhandel absehen, dann gilt:
Unübersichtlich wird dieses Gleichgewichtssystem in einer offenen Volkswirtschaft, in der Exporterlöse von außen in den Geldkreislauf einfließen. Zu Konsum und Investitionen kommt eine 3. Verwendungsart des BIP: Der Außenbeitrag. Er ist die Differenz zwischen Export und Import. Durch ihn verwischen sich die Konturen des Zusammenhangs von Sparen und Investieren. Der Außenbeitrag wird als Forderung an das Ausland verbucht – als eine (positive oder negative) Ersparnis im Ausland. Entsprechend erweitert sich die Ersparnisgleichung:
Dia7.1.1 veranschaulicht für Deutschland den Zusammenhang von Sparen und Investieren in der modernen Volkswirtschaft:
Die Grafik verdeutlicht auch, wie in Deutschland, gegenläufig zum Wachstum der Exportüberschüsse (=Finanzierungssaldo der übrigen Welt), der Anteil der Nettoinvestitionen am BIP von 10% 1991 auf 2,2% 2016 gesunken ist, während der Außenbeitrag auf über 7% gestiegen ist.
Dia7.1.2 illustriert die gleichen Zusammenhänge für die EU28. In der EU sind die Außensalden minimal. Die Bruttoinvestitionen finanzieren sich aus Abschreibungen und Ersparnissen, wobei der Anteil der Abschreibungen in den Jahren zwischen 2002 und 2015 ständig gewachsen ist, zu Lasten der sinkenden Sparquote, die annähernd gleich groß ist wie die sinkende Quote der Nettoinvestitionen.
Sparen = investieren (+ Außenbeitrag): Diese Gleichung gilt immer. Was aber geschieht, wenn die Sparer plötzlich mehr sparen und weniger konsumieren? Im dynamischen Wirtschaftsverlauf ist die Gleichung Sparen = Investieren ein Gleichgewichtssystem: Ändern sich Ersparnisse oder Investitionen durch die Dispositionen der Wirtschaftssubjekte, dann zieht dies ausgleichende (unbeabsichtigte) Anpassungsreaktionen nach sich, die wirtschaftspolitisch problematisch sein können:
In der Endabrechnung bleiben Sparen und Investieren (+ Außenbeitrag) zwar immer gleich. Aber in jedem dieser Fälle vermindert sich der Güterabsatz mit der Folge, dass die Entwicklung der Produktion – das Wachstum – gebremst wird und eventuell Krisen ausgelöst werden. Deshalb wäre es eine wirtschaftspolitische Aufgabe des Staates, sich um eine gleichgewichtige Entwicklung von Sparen und Investieren zu bemühen.
Besondere Folgen haben zusätzliche Außenhandelsüberschüsse. Erhöhen sich die Exporte eines Landes ohne ausgleichende Erhöhung der Importe, dann schlägt sich das in zusätzlichen Krediten an die Handelspartner nieder. Solche Gleichgewichtsveränderungen im Außenhandel haben die Finanzkrise vorbereitet.
In den einzelnen Wirtschaftssektoren der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist jedoch Sparen ungleich den Investitionen. Unternehmen investieren in der Regel mehr als sie sparen, während private Haushalte in der Regel mehr sparen. Diese Differenz zwischen Sparen und Investieren, Finanzierungssaldo genannt, ist die Geldvermögensbildung der Sektoren. Ihre Summe ist = Null. Im Finanzierungssaldo des Sektors „Übrige Welt“ wird der Außenbeitrag negativ erfasst. Diese Finanzierungssalden addieren sich zum Nettogeldvermögen (Tab3.1q).
In den Entwicklungen dieser Finanzierungssalden sind charakteristische Unterschiede zwischen Deutschland – Dia7.1.3 und der EU – Dia7.1.4 – zu beobachten:
Den Zusammenhang von Sparen und Investieren vermitteln die Banken auf dem Kapitalmarkt, die indem sie Geld leihen und verleihen. Sie führen die Konten aller Geldvermögen.
Die jährlichen Ersparnisse, in der VGR Finanzierungssalden, addieren sich zum Geldvermögen. In den Zu- oder Abnahmen des Nettogeldvermögens schlagen sich jedoch auch Wertveränderungen bzw. Kursveränderungen der Vermögen nieder, die über die Jahre einen schwankenden Verlauf nehmen.
Die Sektorengliederung der Vermögensbildung zeigt eine Momentaufnahme (Ende 2014) aus dem Prozess von Ersparnisbildung und Kreditaufnahme einerseits und der Sachvermögensbildung andererseits. (Tab3.1q, Zeile 34-36) Nettogeldvermögen ist der Saldo von positivem Geldvermögen und Verbindlichkeiten. Es ist das Maß des monetären Wohlstandes.