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7.2. Geldvermögen, Verbindlichkeiten und Sachvermögen


Normalerweise haben die Unternehmen negative Nettogeldvermögen, also Verbindlichkeiten, die zur Finanzierung ihrer Sachanlagen verwendet worden sind. Ebenso ist das Nettogeldvermögen des Staates in der Regel negativ (Note7.2.1). Diesen beiden negativen Blöcken stehen die positiven Nettogeldvermögen der privaten Haushalte gegenüber. Ergänzt wird das Bild durch die Salden der Geldinstitute und des Auslandes. Die Summe der Nettogeldvermögen dieser 5 Wirtschaftssektoren ist definitionsgemäß = Null.


Die Entwicklung der Nettogeldvermögen ist Resultat nicht nur der jährlichen Ersparnisse und Verschuldungen, sondern auch der laufenden Wertveränderungen von Geldanlagen (Kursveränderungen). Bemerkenswert sind Veränderungen der Verteilung der Nettogeldvermögen zwischen den Wirtschaftssektoren, aber auch Abweichungen der Vermögensentwicklung vom Wirtschaftswachstum.


Das Sachvermögen besteht dem gegenüber aus produzierten Anlagegütern sowie Grund und Boden. Gerechnet wird es netto, nach Abzug der Abschreibungen und zu Wiederbeschaffungspreisen, und ohne konsumptives Gebrauchsvermögen. 2016 betrug sein Wert 14 Billionen Euro. Das war das 4,5-fache des BIP. Davon waren

    Ausrüstungen                                        9%

    Wohnbauten                                         36%

    Nichtwohnbauten                                24%

    Grund und Boden                                27%

    übriges                                                     4%.


Das Nettovermögen ist die Summe aus Nettogeldvermögen und Sachvermögen. Es ist der Reichtum eines Landes. Das individuelle Geldvermögen rechnet sich als Geldvermögen minus Geldschulden. Wir nennen es schuldenfreies Geldvermögen.


Die Entwicklungen der Sachvermögen und der Geldvermögen zeigen unterschiedliche Bilder. Für Deutschland verfügen wir über sehr detaillierte Zahlen. EUROSTAT dagegen liefert für die EU zum Sachvermögen keine brauchbaren Informationen.


Wir stellen hier die gesamtwirtschaftlichen Vermögensbestandteile nicht in absoluten Euro-Beträgen dar, sondern in % des BIP, um die Vermögensentwicklungen zu charakterisieren: schwächer oder stärker als das Wirtschaftswachstum, aus dem die Vermögensbildung resultiert. Die Tabellen 7.2.1 und 7.2.2 über die Entwicklung der Vermögen in Deutschland und in der EU28 ohne Deutschland (nur Geldvermögen) zeigen bemerkenswerte Auffälligkeiten:

  • Übrige Welt: Seit 2000 weist der deutsche Außenhandel relativ zum BIP einen wachsenden Überschuss auf. Dies drückt sich in der Vermögensrechnung durch eine wachsende Verschuldung der übrigen Welt aus. Tatsächlich ist dieser Bestand an Verbindlichkeiten des Auslands, der bis 2016 auf 1,4 Bill. Euro angewachsen ist (ca. 44% eines jährlichen deutschen BIP), der Saldo von ausländischem Vermögen in Deutschland in Höhe von 6,9 Bill. Euro und von ausländischen Verbindlichkeiten in Höhe von 8,3 Bill. Euro. Während deutsches Kapital ins Ausland fließt, legen ausländische Vermögensbesitzer trotz geringeren Renditen Vermögen in Deutschland an. Schon seit längerer Zeit sind die deutschen Staatsanleihen und Aktien (DAX) mehrheitlich in ausländischer Hand.
    • Das ausländische Nettogeldvermögen in Deutschland ist von -1,4% des BIP in 2001 auf -44% in 2016 gesunken. In der EU28 ohne Deutschland dagegen ist das positive Nettogeldvermögen der übrigen Welt zwischen 2001 und 2016 von +12% auf +18% angestiegen. In beiden Entwicklungen spiegeln sich die Entwicklungen der Außensalden.
    • Die deutsche Bilanz der Sachvermögen kennt dagegen kein Ausland. Sie erfasst das Sachvermögen in Deutschland, ohn’ Ansehen der Nationalität. Sachvermögen von Deutschen im Ausland gehört zum Ausland, beschäftigt dort Arbeitnehmer und bezahlt dort Steuern.
  • Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften:
    • Deren Nettogeldvermögen entwickelte sich in Deutschland im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum relativ proportional: 2001 -52% des BIP, 2016 -54%. In der EU28 ohne Deutschland sanken die Salden geringfügig von -119% des BIP in 2002 auf -123% in 2016.
    • Das Sachvermögen stagnierte in Deutschland tendenziell bei knapp unter 140% eines Jahres-BIP.
    • Das gesamte Nettovermögen lag in Deutschland relativ stabil bei etwa 85% eines Jahres-BIP.
  • Finanzielle Kapitalgesellschaften:
    • Die Geldvermögen und die Verbindlichkeiten der Banken (Finanzielle Kapitalgesellschaften) sollten weitgehend ausgeglichen sein – das eingelegte Geld wird nach Kräften weiterverliehen. Tatsächlich entwickelten sich diese Netto-Geldvermögen jedoch von -8% des BIP in 2001auf +11% in 2016: eine gewünschte Verbesserung des Eigenkapitals. Ein ähnliches Bild bietet die EU28 ohne Deutschland: von -5% des BIP in 2001 auf +10% in 2016.
    • Das Sachvermögen liegt in Deutschland stabil bei knapp unter 10% eines Jahres-BIP.
    • Stark gewachsen ist somit das gesamte Nettovermögen: besaßen die Finanziellen Kapitalgesellschaften 2001 ein Nettovermögen in Höhe von nur 0,5% des BIP, so betrug es 2016 18%.
  • Staat:
    • Die Entwicklung des staatlichen Nettogeldvermögens spiegelt die Entwicklung der Staatsverschuldung wider: in Deutschland von -34% des BIP in 2001 auf -40% in 2016, in der EU ohne Deutschland von -41% in 2004 auf –73% in 2016.
    • Die Erfassung des Sachvermögens des deutschen Staates durch das Statistische Bundesamt erfordert sicher viel Mut zu Schätzungen. Der Wert seiner Nichtwohnbauten – Rathäuser, Kliniken, Schulen, Straßen, Brücken – wird als rückläufig geschätzt, Ausdruck überwiegender Abschreibungen bei abnehmenden Investitionen.
  • Private Haushalte (mit Organisationen ohne Erwerbscharakter): Bemerkenswert sind die Entwicklungen bei den Privaten Haushalten, zu denen auch die Selbständigen gehören.
    • Gut die Hälfte dieses Nettogeldvermögens der privaten Haushalte besteht in Deutschland aus Versicherungsansprüchen, ein knappes Drittel aus Anteilsrechten (insb. Aktien) (Tab2.1q) . Es wächst deutlich stärker als das Bruttoinlandsprodukt: von +97% des BIP in 2001 bis +131% in 2016 um 34 %-Punkte, davon die Versicherungsansprüche um 17%-Punkte! In der EU28 ohne Deutschland liegt das Nettogeldvermögen der Privaten Haushalte noch höher, wächst aber langsamer: von +153% des BIP in 2001 auf +170% in 2016 um +17%-Punkte.
    • Das Sachvermögen wuchs in Deutschland von 222% des BIP in 2001 auf 244% in 2016 um 23%-Punkte eines Jahres-BIP. Es bestand 2016 zu über 90% aus Wohnbauten und Grundstücken. Eine Hälfte der Zuwächse entfiel auf Wohnbauten und die andere Hälfte auf Grundstücke.
    • Insgesamt wuchs das gesamte Vermögen der Privaten Haushalte in Deutschland deutlich stärker als das BIP: von 318% in 2001 auf 375% in 2016. Das waren in 15 Jahren 57 BIP-%-Punkte.


Wenn vom Reichtum in einem Land die Rede ist, dann ist dessen Privatvermögen gemeint: Kapitalgesellschaften und private Haushalte zusammen, ohne den Staat. Das Nettogeldvermögen der Privaten wuchs relativ zum BIP in Deutschland von 37% in 2001 auf 88% in 2016um +51%-Punkte, in der EU ohne Deutschland von 28% in 2001 auf 56% in 2014 aufum +28%-Punkte.


Das gesamte Sachvermögen der deutschen Volkswirtschaft betrug 2001 9 Bill. Euro. Das waren 431% des BIP. 2016 waren es 14 Bill. Euro = 446% des BIP. Es stieg im Wesentlichen durch Wohnbauten und Grund- und Boden. 87% aller Wohnbauten gehörten den privaten Haushalten.


Das Nettogeldvermögen aller Wirtschaftssektoren wuchs zwischen 2001 und 2016 von 2% auf +4% des BIP. Die Summe aller Geldvermögen ist grundsätzlich null. Bei dieser Differenz handelt es sich um die Restgröße Währungsgold. Stellen wir dagegen die deutschen Sektoren ohne dieses Währungsgold der übrigen Welt gegenüber, dann wuchs das deutsche Nettogeldvermögen spiegelbildlich zur übrigen Welt von 3% BIP in 2001 auf 48% BIP in 2016. In der EU ohne Deutschland sank das nationale Nettogeldvermögen dagegen zwischen 2001 und 2016 von -11% auf -16% um 5%-Punkte des BIP, als Resultat eines in der Finanzkrise stark gewachsenen Außenhandelsdefizits. 2012 hatten diese Auslandsschulden 30% betragen. Seitdem verringern sie sich spürbar.


Die Summe von Nettogeldvermögen und Sachvermögen ist das Nettovermögen. 2016 bestand das deutsche Nettovermögen aus einem Sachvermögen von 14 Bill. Euro und einem Nettogeldvermögen im Ausland von 1,4 Bill. Euro. Insgesamt wuchs das Nettogeldvermögen der nationalen Geldhalter im Vergleich zum BIP um 48%-Punkte, während das Sachvermögen als reale Basis des Geldvermögen nur um 15%-Punkte zunahm. Da die Summe aller Nettogeldvermögen eines Landes (abgesehen von den Salden des Währungsgoldes) gleich dem Forderungssaldo gegenüber der übrigen Welt ist, besteht das nationale Nettovermögen aus der Summe aller Sachvermögen im Inland plus dem monetären Forderungssaldo gegenüber der übrigen Welt.


Insbesondere die privaten Nettogeldvermögen wachsen stärker als das BIP und auch stärker als die Sachvermögen. Was bedeutet das? – Um das besser zu verstehen haben wir das schuldenfreie Geldvermögen ausgewiesen: das Geldvermögen nach Abzug aller Geldschulden. Der Unterschied zum Nettogeldvermögen besteht darin: Bei den Nettogeldvermögen sind auch die Forderungen aus ausgegebenen Wertpapieren abgezogen, deren Wert die Kapitalmarktkurse bestimmen. Das schuldenfreie Geldvermögen stellt den Teil der Vermögen dar, der aus der Akkumulation jährlicher Ersparnisse entstanden ist (vgl. Kap.5.8). Für Deutschland vergleichen wir am Beispiel der Privaten die Entwicklung des schuldenfreien Geldvermögens mit der Entwicklung der Sachvermögen (in % BIP):

                                                Nettogeld-        schuldenfreies        Sachvermögen

                                                vermögen         Geldvermögen

    Deutschland

    2001                                     36,8%                275,4%                      368,4%

    2016                                     83,1%                341,8%                      388,4%

    Diff.                                   +46,3%                +44,4%                     +20,0%

    in %                                    +125%                   +57%                          +5%

    EU ohne Deutschland

    2001                                     29,3%                 252,9%                       260,2%

    2016                                     57,0%                 463,0%                       291,8%

    Diff.                                   +27,7%               +210,0%                        31,6%

    in %                                      +95%                    +83%                        +12%


Die Geldvermögen wachsen in Deutschland und in der übrigen EU deutlich stärker als das BIP. Sie wachsen in Deutschland auch deutlich stärker als das Sachvermögen. Dieses Ungleichgewicht zwischen Geldwirtschaft und Realwirtschaft wird ausgeglichen durch die Entwicklung der Marktpreise von Anteilspapieren (Kurse). Aber dieser permanente Überhang des Geldvermögens, der aus den Ersparnissen der höher Verdienenden erwächst, über die Entwicklung der realen Investitionen führt zu grundlegenden Verschiebungen:

  • gesellschaftlich wächst das Gewicht der Reichen,
  • ökonomisch aber wächst das anlagesuchende Kapital stärker als die kapitalsuchende Produktion.


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