7.3. Kaptal und Gewinn – Piketti’s Formel
Unsere Zahlen geben Auskunft über die relative Entwicklung von BIP und Vermögen. Thomas Piketti hat uns in seinem großen Werk über das Kapital im 21. Jahrhundert auf die Zusammenhänge von Vermögen, Einkommen und Gewinnen aufmerksam gemacht (Note7.3.1). Um der Logik der Gewinnrechnung zu entsprechen, beziehen wir uns dabei auf das Nettonationaleinkommen – nach Abzug der Abschreibungen – als dem geldlichen Ausdruck der Erträge aus der Wertschöpfung. Als Gewinn betrachten wir – nach Abzug der Arbeitnehmerentgelte – das Nettoresidualeinkommen als Summe aus Nettobetriebsüberschuss und Selbständigeneinkommen. Piketti hat die Zusammenhänge zwischen Vermögen (Kapital), Gewinn und Nationaleinkommen (Note7.3.2) in einer logischen Formel zusammengefasst:
α = r * β,
wobei diese drei Variablen Quotienten darstellen
α = Gewinn : Nettonationaleinkommen,
β = Vermögen : Nettonationaleinkommen,
r = Rendite = Gewinn : Vermögen.
Piketti’s Formel sagt: Wenn 2 dieser Variablen gegeben sind, bestimmt dies die Dritte.
Diese Definitionsgleichung zeigt ihre Bedeutung, wenn es um Veränderungen dieser Variablen geht. Sie sagt z.B.: die Rendite kann nur wachsen, wenn der Gewinnanteil am Nettonationaleinkommen stärker wächst als der Vermögensanteil.
Renditerechnungen beziehen sich auf privates Kapital = Privatvermögen. Die Logik des Staates in der Wirtschaft unterscheidet ihn von der Logik der Gewinn- und Renditerechnungen. Das Staatsvermögen dient nicht der Verwertung, sondern der gesellschaftlichen Nutzung. Wenn wir Pikettis Formel auf Deutschland anwenden, dann stellen wir privates Vermögen und private Gewinne in einen Zusammenhang mit dem gesamtwirtschaftlichen Nettonationaleinkommen.
Die Vermögensbildung resultiert nicht unmittelbar aus der Gewinn-entwicklung. Sie resultiert im Wesentlichen aus der Akkumulation der Nettoinvestitionen bzw. der Ersparnisse. Aber die Gewinne als Resultat der Wertschöpfung drücken in der kapitalistischen Wirtschaft den Ertragswert der Vermögen aus.
Das private Vermögen besteht aus dem privaten Sachvermögen und dem privaten Nettogeldvermögen. Die Entwicklung der privaten Nettogeldvermögen spiegelt auf der Passivseite die Entwicklung der öffentlichen Verschuldung und des Außensaldos wider. Ohne diese beiden Größen wäre das Nettogeldvermögen Null. Das private Geldvermögen wäre dann gleich groß wie die privaten Verbindlichkeiten. Die sektorale Vermögensentwicklung beschränkte sich dann auf die Entwicklung der Sachvermögen.
Die Entwicklung der Nationaleinkommens-Anteile der privaten Sachvermögens spiegelt die Entwicklung der privaten Nettoinvestitionsquote: das Sachvermögen erwächst aus den Nettoinvestitionen. Wo diese Nettoinvestitionsquote (in % des BIP) relativ konstant ist, strebt der Nationaleinkommens-Anteil des Sachvermögens am BIP gegen einen stabilen Grenzwert. Wenn der Anteil des Sachvermögens relativ zum BIP wächst, dann drückt dies vor allem die Vermehrung von Immobilien und die Verteuerung von Grund und Boden aus.
Das Dia 7.3.1 und die Tabelle 7.3.1, beide bezogen auf %-Anteile am Nettonationaleinkommen, zeigen für Deutschland folgendes:
Gewinne sind der Teil der Wertschöpfung im Produktionsprozess, der den Unternehmungen und Selbständigen nach Abzug der Abschreibungen verbleibt. Renditen sind der Quotient aus Gewinnen und eingesetztem Vermögen. Stark steigende Anteile des Vermögens am Nationaleinkommen führen zu sinkenden Renditen, wenn sie nicht durch steigende Anteile der Gewinneinkommen an der produktiven Wertschöpfung unterfüttert werden. Diese Logik ist im Auge zu behalten, wenn wir – weiter unten - die Rückseite der Rendite betrachten: den Zins als Preis für geliehenes Geld (Kap.7.9.4).
Leider finden sich bei EUROSTAT keine ausreichenden Statistiken, die diese Zusammenhänge der Vermögensentwicklung für die EU klären. Lediglich das Verhältnis α von Nettoresidualeinkommen zu Nettonationaleinkommen lässt sich bestimmen. Auch lassen sich diese Daten der Privatwirtschaft der EU nicht mit denen Deutschlands vergleichen, weil ihre Beziehungen zur übrigen Welt nicht ausgewiesen werden – siehe Dia7.3.2:
Wir halten fest: