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7.4. Kapitalmarkt: Handel mit Geld- und Kapitalanlagen


Die Finanzierungssalden verlassen den Produktionskreislauf und fließen dem Finanzsystem zu:

  • Den Banken: Sie leiten die Ersparnisse an die Kreditnehmer weiter. Dabei verwenden sie Einlagen, die von den Einlegern kurzfristig abgerufen werden können, für längerfristige Kredite. Diese Fristentransformation ist eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion der Banken.
  • Dem Kapitalmarkt: Geldbesitzer leiten Kapital direkt zu einem Anleger. Der Kapitalmarkt liegt außerhalb des Produktionskreislaufes. Auf ihm wechseln Sachvermögen und Anlagen von Geldvermögen ihre Besitzer: Kapital.
  • Auf dem Geldmarkt leihen Banken kurzfristig Geld von Banken. Ein liquider Geldmarkt sorgt dafür, dass die produzierende Wirtschaft jederzeit ausreichende Mittel zur Vorfinanzierung ihrer Produktion finden. Hierin liegt das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Geldmarkt.


Die Ersparnisse kehren über Kredite oder andere Anlageformen in den Produktionskreislauf zurück, wo sie zum Kauf von Produkten oder zur Bezahlung von Arbeitskräften verwendet werden.


Die Finanzierungssalden des Produktionskreislaufes und die Wertveränderungen, die wir in Kap. 3 beobachtet haben, addieren sich zu den bisherigen Beständen von Geldvermögen bzw. Verbindlichkeiten. Wir differenzieren die Anlageformen (2014 in % der Geldvermögen):

  • Bargeld und Einlagen (25%),
  • Schuldverschreibungen ohne Anteilsrechte (17%), überwiegend festverzinsliche Staatsanleihen, aber in wachsendem Maße Privatanleihen, mit denen sich Produktionsunternehmen Geld leihen,
  • Kredite, überwiegend von Banken (18%),
  • Anteilsrechte (Aktien), überwiegend Anteile an Unternehmen (23%),
  • Versicherungsansprüche (7%),
  • sonstiges (11%).


Die Finanzierung von Unternehmen erfolgt entweder über Kredite oder über Kapitalanteile.

  • Kredite, auch Darlehen genannt, werden vorwiegend von Banken gegeben. Ihnen liegt ein bilaterales Vertragsverhältnis zugrunde: ein Kreditgeber und ein Kreditnehmer, ein fester Kreditbetrag, ein fester Zeitpunkt der Rückzahlung, laufende Zinszahlungen zu einem festen Zinssatz.
  • Wertpapiere sind verbriefte Bedingungen einer Geldüberlassung. Sie können frei verkauft werden: Der Geldgeber kann eine Geldüberlassung somit durch Verkauf einfach beenden und sich so bei Bedarf Liquidität verschaffen, ohne dass dies den Geldnehmer beeinträchtigt.
    • Schuldverschreibungen, auch Anleihen, Obligationen oder Renten genannt, sind verbriefte Kreditvereinbarungen mit einem bestimmten Kreditnehmer, die gekauft und verkauft werden können.
    • Anteilsrechte (Aktien) an einem bestimmten Unternehmen legen einen festen Anteil am Unternehmensgewinn (Dividende) mit geregelten Informations- und Mitspracherechten fest. In der Regel sind solche Anteile frei verkäuflich.


Gehandelt wird Kapital als Anteile an Unternehmen und als Kredite. Attraktiv sind Anteile an Sachanlagen wegen ihrer Erträge. Sie werfen Anteile an den Gewinnen ab, die Unternehmen im Produktionskreislauf erzielen. Bankeinlagen, Schuldverschreibungen, Kredite und bestimmte Versicherungen erbringen Zinsen, bezahlt aus Einkünften (Wertschöpfung) des Produktionskreislaufes. Die Vermögenserträge sind grundsätzlich Teile der BIP-Erlöse.


Neben diesen klassischen Anlageformen gibt es davon abgeleitete Formen: Derivate. Dies sind handelbare Finanzprodukte, deren Preisentwicklung von der Preisentwicklung anderer Anlagen abhängt. Eine besondere Rolle spielen dabei Termingeschäfte, in denen künftige Erträge gehandelt werden. Es handelt sich bei Derivaten um Wetten auf künftige Preisentwicklungen. Sie sind grundsätzlich spekulativ. Wenigstens dieser Teil des Wertpapierhandels kann der Kategorie Casinokapital zugeordnet werden.


Neben dem Anschaffungswert hat eine Anlage einen Ertrags- und einen Handelswert.

  • Der Ertrag ist die Summe der laufenden Zahlungen, die dem Besitzer zufließen. Die Rendite ist der Quotient aus Ertrag und Anschaffungswert. Zum Vergleich mit anderen Anlagen wird sie auf ein Jahr umgerechnet.
  • Der Handelswert wird dagegen von spekulativen Erwartungen bestimmt. Im Handel von Anlagen zählt in der Regel die erwartete Rendite. Sie bestimmt den Verkaufspreis bzw. Kurs der Anlagen.


Dieser Handel mit Kapital ist ein Nullsummenspiel: die Summe der Käufe ist gleich der Summe der Verkäufe. Der Kurswert von Kapitalanlagen ergibt sich dagegen aus Angebot und Nachfrage bezüglich einer Anlage. In ihm drückt sich die erwartete Ertragskraft einer Anlage aus. Solche Kurswertsteigerungen können auch als Inflation interpretiert werden: asset inflation. Die Entwicklung der Liquidität, die auf dem Kapitalmarkt zur Verfügung steht, hat Einfluss auf die Entwicklung der Kurswerte von Vermögensanlagen.


Die Vermittlung von Krediten und Wertpapieren ist ein ertragreiches Geschäft, dessen Beiträge zu Wertschöpfung und Beschäftigung wachsen. In Großbritannien spricht man sogar von „financial industry“. Es werden unterschiedliche Abgrenzungen mit entsprechend unterschiedlichen Größenangaben verwendet. In der Abgrenzung „Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ liefert EUROSTAT für 2016 folgende %-Anteile:

                                                    Bruttowertschöpfung        Erwerbstätige

    EU28                                         4,6%                                   2,6%

    Deutschland                            3,5%                                   2,7%

    Vereinigtes Königreich          6,5%                                   3,3%

    Niederlande                            7,0%                                   2,5%

    Luxemburg                           24,7%                                  11,0%

    Schweiz                                    9,1%                                   4,7%.


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