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8.3. Beschäftigung und Arbeitslosigkeit


In einer Marktwirtschaft bedeutet Schrumpfung der Beschäftigung eine existenzielle Bedrohung für die Arbeitnehmer. Das viel diskutierte „bedingungsloses Grundeinkommen“ in auskömmlicher Höhe würde eine Gesellschaft voraussetzen, in der die notwendigen Arbeitsleistungen und die dafür erforderlichen Qualifizierungen ohne materiellen Druck erbracht werden. Das ist zwar vorstellbar. Aber auf absehbare Zeit ist damit nicht zu rechnen.


Deshalb wird wirtschaftliches Wachstum benötigt, um den Beschäftigungs-verlust aus Produktivitätssteigerungen auszugleichen (Kap.5.6). Da können zwar auch Arbeitszeitverringerungen helfen. Aber politisch ist dies kein erfolgversprechender Ansatz: Wie lange oder wie viel ein Arbeitnehmer arbeitet, lässt sich angesichts zunehmender Teilzeitbeschäftigung und konjunktureller Arbeitszeitschwankungen nur schwer politisch regulieren.


Roboter können vieles. Aber sie kaufen nicht. Sie rentieren sich für die Gesamtheit der Unternehmungen nur, wenn die Produkte der Roboter gekauft werden. Von wem? – Die Arbeitnehmer, die von Robotern ersetzt werden, fallen als Käufer aus. Wenn die Rationalisierungen der Produktion Arbeitslosigkeit erzeugt, schmälert dies das Wirtschaftswachstum. Gleichgewichtiges Wirtschaftswachstum erfordert ausreichende Beschäftigungsentwicklung. Das kritische Maß dafür ist die Entwicklung der Arbeitslosigkeit.


In Wirtschaftsregionen konzentrieren sich strukturelle Veränderungen als branchenspezifischer Arbeitsplatzabbau (Kap.4.5). Dort konzentrieren sich die Folgen europäischer und internationaler Handelsverschiebungen, für die die EU politische Verantwortung trägt. Dort konzentrieren sich auch die sozialen Folgen, und dort konzentriert sich auch die politische Kritik. Deshalb ist die Vermeidung und Bekämpfung regional konzentrierter Arbeitslosigkeit eine wichtige Aufgabe der EU.


Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den Regionen hat zwei Dimensionen: die Förderung der Wirtschaftsentwicklung einerseits und die Förderung der Berufsqualifizierung andererseits. Beides sind Aufgaben der Regionalpolitik. Region, Nationalstaat und EU müssen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit umfassende Programme entwickeln und finanziell fördern, deren Erfolge durch ein besonderes Monitoring zu kontrollieren ist. Der orientierende Indikator für diese Politik ist die Entwicklung der regionalen Arbeitslosenquote und vorrangig der Quote der Jugendarbeitslosigkeit.


In Krisen verschärft, wie wir an der Finanzkrise gesehen haben, Arbeitslosigkeit die Rezession, nicht nur durch Kaufkraftausfälle, sondern auch infolge zusätzlicher Kaufzurückhaltung. Und die erhöhten Sozialausgaben erhöhen die Staatsverschuldung. Die deutsche Wirtschaft hat den Schock der Finanzkrise so rasch überwunden, weil der Staat die Beschäftigung durch Unterstützung von Kurzarbeit stabilisiert hat (Exkurs6.1). Die Aufwendungen für Kurzarbeitergeld haben sich wegen der Vermeidung der Kosten zusätzlicher Arbeitslosigkeit „gerechnet“. Die EU sollte eine Krisenbekämpfung durch Kurzarbeitergeld in den Mitgliedstaaten vorbereiten.


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